Instandhaltung Branchenausblick 2022

Wohin bewegt sich die Instandhaltung im Jahr 2022. Wir haben Branchengrößen gefragt, wie sie die Lage im kommenden Jahr beurteilen. (Bild: Quality Stock Arts/stock.adobe,com)

Das Jahr 2021 hinterlässt bei vielen - wie schon sein Vorgänger - einen eher faden Geschmack. Wieder überlagerte die Corona-Pandemie und der Kampf gegen sie viele andere und auch durchaus positive Entwicklungen. Das ist auch der Instandhaltungsbranche anzumerken. Die Bedenken, dass Covid seinen bleiernen Griff auch 2022 nicht lockern könnte, sind allenthalben zu spüren. Trotz durchaus respektabler Zahlen gibt sich die Community eher gedämpften Erwartungen hin. Doch was ist konkret zu erwarten von "Twentytwo"? Wohin soll es gehen? Wir haben drei Profis gefragt, was Sie dazu meinen.

Thomas Heller, Gerrit Egg, Roy van Huffelen
Unsere Experten sind (v.li.): Dr. Thomas Heller (Geschäftsführer Smart Maintenance Community der Fraunhofer-Gesellschaft), Gerrit Egg (Geschäftsführer der Wisag Produktionsservice GmbH) und Roy van Huffelen (Manager Communication beim Softwarehaus Ultimo). (Bild: Fraunhofer, Wisag, Ultimo)

Welche äußeren Faktoren werden die Instandhaltungsbranche in 2022 beeinflussen?

Dr. Thomas Heller: "Die VUCA-Welt, die schon vor Corona begann und die durch die Pandemie einen weiteren Schub bekommen hat, wird uns auch 2022 antreiben. VUCA, das bedeutet volatil, unsicher, komplex und vielschichtig (volatile, uncertain, complex and ambiguous). Wir mussten 2020 und 2021 erfahren, dass Dämme, die wir als stabil angesehen haben, plötzlich brechen können. Die reduzierten Lieferketten sind noch nicht wieder vollständig wiederhergestellt und die Produktion wird sich darauf einstellen müssen, auch weiterhin flexibel auf nicht verfügbare Rohmaterialien und Halbzeuge zu reagieren. Das trifft auch die Instandhaltung, nicht nur, weil Ersatzteile zum Teil schwer zu bekommen sind, sondern weil die Instandhaltung gerade in volatilen Fertigungsumgebungen einen wichtigen Beitrag leisten muss, um die Produktion am Laufen zu halten. Das Thema Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit gegenüber ungeplanten Ereignissen, wird für viele Unternehmen eine größere Rolle als bisher einnehmen – hier muss auch die Instandhaltung, das gilt für die eigene Organisation als auch für Instandhaltungs-Dienstleister, Lösungen anbieten."

Gerrit Egg: "Der zunehmende Personalmangel – nicht nur bei den Fachkräften, sondern auch im Bereich der Helfenden – wird uns leider auch durchs nächste Jahr begleiten.
Außerdem wird der Beginn der Energiewende sicherlich einen wesentlichen Einfluss auf die Branche nehmen. Hier hängt viel von den Entscheidungen der neuen Regierung ab, beispielsweise im Hinblick auf Wasserstoff oder den CO₂-Preis. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass auch bis weit ins nächste Jahr hinein mit Lieferengpässen bei Material und Ersatzteilen gerechnet werden muss."

Roy van Huffelen: "Die Covid-Pandemie wird voraussichtlich auch im nächsten Jahr zu Störungen führen, die zu Lockdowns und Einschränkungen führen können. Die Covid-Pandemie hatte gemischte Auswirkungen auf den Sektor, wobei fast 25 Prozent der Befragten einer von Ultimo durchgeführte Befragung unter 360 internationalen Experten für Instandhaltung und Anlagenmanagement angaben, dass sich die damit verbundenen Veränderungen positiv auf sie auswirkten. Es scheint, dass die Asset-Manager die flexiblen Arbeitsmodelle, die durch die Covid-Vorsorgemaßnahmen zwingend erforderlich wurden, positiv aufgenommen haben - trotz der möglichen Risiken für die mentale Gesundheit, die mit der Arbeit von Zuhause einhergehen. Auch hier wiesen einige der Befragten darauf hin, dass das Fehlen von Cloud-Computing-Funktionen und der Fernzugriff auf Informationen Probleme verursachen. Dabei sind diese Herausforderungen aus technischer Sicht am leichtesten zu lösen. Problematischer ist der Aspekt der mentalen Gesundheit, und die meisten europäischen Unternehmen prüfen derzeit, wie sie die Vorteile der flexiblen Arbeit mit den Auswirkungen auf die mentale Gesundheit/ Produktivität in Einklang bringen können, wenn sich die Teammitglieder nicht so regelmäßig persönlich treffen."

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(Bild: krunja/stock.adobe.com)

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Welche technologischen, erfolgversprechenden Entwicklungen werden in der Branche im Jahr 2022 neu auftreten oder welche bestehenden werden sich durchsetzen?

Dr. Thomas Heller: "Die Digitalisierung hat den Unternehmen einen großen Schub verliehen. Das hilft der Instandhaltung in Bezug auf die Technologien, die auf Digitalisierung aufsetzen. Dazu zählen Mensch-Daten bezogene Systeme wie Augmented Reality, auch in Kombination mit Remote-Unterstützung oder auch Exoskelette und der 3D-Druck. Aber auch rein datenbezogene Dienstleistungen, zum Teil auf Basis von Künstlicher Intelligenz, werden weiter auf dem Vormarsch sein. Wir werden immer besser in der Lage sein, den Zustand von Anlagen und Bauteilen zu erkennen und unser Handel darauf einstellen. Methoden wie das Reinforced Learning werden uns dabei helfen. Die Pandemie hat aber auch die Netzwerke gestärkt, ich erkenne eine deutlich größere Bereitschaft zu einem firmenübergreifenden Austausch als in der Vor-Corona-Zeit. Äußere Krisen schweißen bekanntermaßen auch zusammen und helfen, bestehende Ressentiments zu überwinden. Da der persönliche Austausch fehlt, erhalten die Netzwerke beim FVI, 4.OPMC, VAIS oder auch die Smart Maintenance Community der Fraunhofer Gesellschaft hier eine zunehmend größere Bedeutung."

Gerrit Egg: "Ich erwarte vor allem im Bereich Auftragssteuerung und Dokumentation eine fortschreitende Digitalisierung. Zudem denke ich, dass Lösungen für das Nachrüsten von Sensorik im Altbestand sämtlicher Gerätegruppen stark verfolgt werden. Bei der Wisag selbst gehen wir vielseitigen Digitalisierungsprojekten nach, um technologischen Wandel und Transformation aktiv mitzugestalten und voranzutreiben. Dabei versuchen wir, unseren Kunden als Partner zur Seite zu stehen und auch selbst stets neue Services mit einem realen Zusatznutzen auszuarbeiten und zu entwickeln – wie beispielsweise unsere Gebäudemanagementplattform, die auf künstliche Intelligenz gestützt ist. Hierauf haben sicherlich auch die Lehren, die wir in den vergangenen beiden Jahren aus der pandemischen Notlage gezogen haben, einen Einfluss. Natürlich bleibt der Mensch als Arbeitskraft bei uns im Mittelpunkt, dennoch stellen wir uns die Frage, mit welchen Technologien wir sinnvoll unterstützen können."

Roy van Huffelen: "Betrachtet man die Art der Instandhaltungsaktivitäten der Asset-Manager, so hat sich in den letzten fünf Jahren nur wenig geändert. Dies ist etwas überraschend, da mit dem Aufkommen von Industrie 4.0 erwartet wurde, dass sich alle Unternehmen auf die Digitalisierung zubewegen würden und dass die vorausschauende Instandhaltung in naher Zukunft die Norm sein würde. Wie bei vielen Aspekten des Asset-Managements gibt es jedoch oft Hindernisse, die einem schnellen Fortschritt im Wege stehen.
Grundsätzlich kämpfen Asset Manager mit dem Spagat zwischen Modernisierung und Aufrechterhaltung von Effizienz und Rentabilität. Auch wenn unter ihnen ein gewisser Konservatismus herrscht, ist dies angesichts der kurzfristigen KPIs, an denen sie sich messen lassen müssen, keine große Überraschung. Positiv zu vermerken ist auch, dass es auf dem Markt viele Initiativen gibt, um den Zugriff auf die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt zu verbessern, Lösungen zu nutzen, die die Lücke zwischen den Abteilungen schließen. Die Teilnehmer an unserer Umfrage gaben an, dass im Jahr 2022 zusätzliche Investitionen vor allem in folgenden Bereichen getätigt werden: Sicherheitstechnologien, Big Data und Business Intelligence, Cloud-Computing sowie Internet of Things-Technologien."

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Vor welchen Herausforderungen wird die Branche im Jahr 2022 stehen?

Dr. Thomas Heller: "Der Mangel an Fachkräften ist auch weiterhin eines der bedeutendsten Themen. Unternehmen, aber auch Politik und Bildungseinrichtungen werden noch mehr Anstrengungen unternehmen müssen, neue Qualifikationswege zu schaffen. Und wir müssen sicherstellen, dass der Mittelstand von den technologischen Entwicklungen nicht abgeschnitten wird. Auch nach eigener Einschätzung stehen viele KMU noch eher bei Industrie 2.0 und können die Erwartungen, die entlang der Wertschöpfungskette an sie gestellt werden, nicht immer erfüllen. Hier ist vor allem die Politik gefragt, durch weitere und stärkere Förderung beispielsweise in den Mittelstand 4.0 Kompetenzzentren mittelständische Unternehmen zu unterstützen."

Gerrit Egg: "Eine der maßgeblichen Herausforderungen wird sicherlich darin bestehen, neues Personal zu finden und auszubilden. Darüber hinaus werden wir uns durch die Energiewende mit neuen Anforderungen konfrontiert sehen – entweder direkt bei eigenen Dienstleistern oder durch neue Anforderungen aufseiten der Kunden. Hierfür wollen und müssen wir gute Lösungen bereitstellen."

Roy van Huffelen: "Neben der Covid-Pandemie wird es die Nachwuchsgewinnung sein. Mehr als 70 Prozent der Asset-Manager gaben in unserer Umfrage an, dass sie Schwierigkeiten bei der Anwerbung und Auswahl neuer junger Talente haben. Dieser Trend wird sich voraussichtlich bis 2022 fortsetzen. Entscheidend für eine Lösung ist eine bessere Überbrückung der Generationsunterschiede. Man muss erklären, was die Arbeit in diesem Sektor beinhaltet und welche Fähigkeiten erforderlich sind, um eine erfolgreiche Karriere aufzubauen. Das ist besonders wichtig, denn die Überalterung der Bevölkerung wird eine immer größere Rolle spielen und der Mangel an qualifiziertem Personal wird zunehmen."

Welche wirtschaftlichen Erwartungen haben Sie an 2022?

Dr. Thomas Heller: "Erstaunlicherweise sind wir in den meisten produzierenden Bereichen wirtschaftlich gut durch die Pandemie gekommen. Die Impfpflicht in Deutschland und Österreich wird hoffentlich einen Beitrag leisten, die Zahl der Neuansteckungen zu reduzieren und damit wieder einen Schritt in Richtung Normalbetrieb ermöglichen. Die Folgen der hohen staatlichen Ausgaben im Bereich des Gesundheitswesens, der Unterstützung der Unternehmen und Arbeitnehmer werden uns vermutlich im nächsten Jahr noch nicht treffen, auch wenn ich dem Thema Inflation durchaus mit Sorge entgegensehe."

Gerrit Egg: "Gute – ich gehe von einem Wachstum durch (Neu-)Investitionen in Bereichen wie der Modernisierung oder der Energiewende aus. Zudem können sich Möglichkeiten für neue Dienstleistungen im Gebiet CO₂-Einsparung eröffnen."

Roy van Huffelen: "Es ist für uns sehr schwierig, die wirtschaftlichen Prognosen zu beurteilen. Das hängt natürlich auch stark von den Entwicklungen ab, die sich derzeit im Zusammenhang mit dem Coronavirus ergeben. Sollte die Pandemie unter Kontrolle sein, erwarten wir zumindest ein relativ starkes Wirtschaftswachstum von ein paar Prozentpunkten. Außerdem wird, wie bereits erwähnt, der Bedarf an weiterer Digitalisierung und Innovation steigen. Dies wird zu einer Verbesserung des Wirtschaftswachstums im Allgemeinen und des Technologiesektors im Besonderen führen."

Welche Thematik wird Sie beruflich ganz konkret im Jahr 2022 am meisten umtreiben?

Dr. Thomas Heller: "Die Instandhaltung hat immer noch nicht den Stellenwert in Unternehmen und Gesellschaft erreicht, den sie meiner Ansicht nach verdient. Der Wandel hin zu mehr Digitalisierung, Resilienz oder Nachhaltigkeit ist in produzierenden Unternehmen nur mit den Menschen in der Instandhaltung und geeigneten Netzwerken umsetzbar. Neben meinen Forschungsaufgaben bei Fraunhofer werde ich 2022 auch einen Beitrag leisten, die bestehenden Netzwerke in der Instandhaltung noch enger miteinander zu verknüpfen, um die vorhandenen Potenziale besser nutzbar zu machen."

Gerrit Egg: "Das wird wohl mit höchster Wahrscheinlichkeit die Thematik Personalgewinnung und -entwicklung sein. Wir widmen diesem Thema bereits große Aufmerksamkeit und versuchen dabei stets über den Tellerrand hinauszublicken, um auch immer wieder neue Wege einzuschlagen. Gleichzeitig ist es uns wichtig, intensiv und konstant in die Qualifizierung und Weiterbildung unserer bereits gewonnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren."

Roy van Huffelen: "Eines der wichtigsten Anliegen, das wir immer wieder beobachten, ist der Wunsch der Unternehmen, die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den Abteilungen Betrieb, Instandhaltung und Sicherheit zu verbessern. Durch die Verwendung derselben Daten können alle Teams den Verwaltungsaufwand reduzieren und haben gleichzeitig den nötigen Einblick, um die richtigen Aufgaben zur richtigen Zeit auszuführen. Das kann bedeuten, dass die Produktionsabteilung zum Beispiel die autonome Wartung optimieren und die zentrale Registrierung nutzen kann, um die Schichtübergabe zu vereinfachen, während die Instandhaltungs- und Sicherheitsteams die Effizienz, die Betriebszeit und die Einhaltung der HSE-Richtlinien verbessern."

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