Das Armacell-Werk in Münster. In der Europa-Zentrale des Dämmstoff-Herstellers sind ungeplante Stillstände Tabu - denn das hätte massive Folgen für viele weitere Produktionsstätten.

Das Armacell-Werk in Münster. In der Europa-Zentrale des Dämmstoff-Herstellers sind ungeplante Stillstände Tabu - denn das hätte massive Folgen für viele weitere Produktionsstätten. - (Bild: Greengate)

Wenn Zeit tatsächlich Geld ist, wird Anlagenverfügbarkeit im Armacell-Werk Münster klar auf Nummer Eins priorisiert. Als Dreh- und Angelpunkt einer globalen Wertschöpfungskette mit 25 Produktionsstätten in 17 Ländern würde ein "Break Down" in Münster erhebliche Ausfallfolgekosten nach sich ziehen.

Denn die Europa-Zentrale des führenden Herstellers flexibler Dämmstoffe beliefert zumindest alle europäischen Werke unter anderem mit Masterbatches. Um dieser Gefahr zu begegnen, rief man die "World Class Armacell Mindset"Initiative ins Leben, um in der Produktion jeden Stein in Sachen Anlagenverfügbarkeit umzudrehen. Die Folge ist die Einführung eines neuen Betriebsführungssystems für die Instandhaltung und das Ersatzteilmanagement.

Fertigungslinien als neuralgischer Punkt

Die innerbetriebliche Supply Chain mit markanter technischer und organisatorischer Anlagenverkettung ist das eine. Erhöhte Produktivitäts- und Umweltschutzanforderungen sind das andere. Beides gehört bei Armacell untrennbar zusammen und identifiziert vor allem die Fertigungslinien als neuralgischen Punkt: "Längere Stillstände sind inakzeptabel", so Lennert Wiels, Maintenance Manager Plant Münster, "gibt es beispielsweise bei der Abgasnachbehandlung Probleme beziehungseise Störungen, fallen sofort die entsprechenden Produktionslinien in der Fertigung aus." Hier habe sich die Frage gestellt: Was tun? "Vorbeugende Instandhaltung ist da sicherlich ein richtiger, wichtiger Weg."

Prozesse als Digital Twin-Verfahren

Bei Armacell in Münster ist die Betriebsführungssoftware GS-Service von Greengate im Einsatz. Die Überwachung der beiden systemrelevanten Produktionslinien erfolgt per Fernwartungsmonitoring im Werkstattbereich, die Checks wiederum werden in der Software dokumentiert. Wie eigentlich alles, was den laufenden Betrieb bei Anlagentechnik, Infrastruktur, Medienversorgung, Zentrallager, R&D und Facility in Münster anbelangt. Und wer dokumentiert, setzt seine Planung eben auch auf konsistenter Datengrundlage auf: "Diese Möglichkeit nutzen wir umfassend", erläutert Lennert Wiels, "ein Gebot der Stunde, auch weil wir inzwischen eine kritische Unternehmensgröße – siehe Auftragsbestand – erreicht haben."

Agile Systemeinführung

Grundsätzlich integriert das Betriebsführungssystem als dem ERP nachgeordnetes System Planungs-, Dokumentations- und Überwachungsfunktionen sowie betriebswirtschaftliche Anwendungen zu einem Informations- und Managementsystem. Die objektorientierte Software – als skalierbare Client-/Server- Lösung konzipiert – baut auf einer Standardtechnologie auf und arbeitet unter aktuellen Microsoft-Betriebssystemen. Von Vorteil: Durch die offene Systemarchitektur lässt sie sich an andere Systeme wie das SAP ERP bei Armacell ankoppeln.

Das Armacell-Werk in Münster.
Das Armacell-Werk in Münster. - (Bild: Greengate)

Eingeführt wurde die Software im Jahr 2015 als Ersatz für das industrieweit bekannte Lösungs-Geflecht aus Excel, eigenen Programmen, Freeware und papierbasierter Aktenablage. Allerdings nicht mit Big Bang. Lennert Wiels erinnert sich an den agilen Weg vom Groben zum Feinen: "Als wir GS-Service einführten, waren die Mitarbeiter in der Instandhaltung nicht wirklich begeistert. Genau das haben wir allerdings erwartet! Deswegen haben wir das System zunächst ausführlich vorgestellt, Feedbacks aufgenommen und das System erst einmal rudimentär ans Laufen gebracht – ohne hohen Detaillierungsgrad. In Schulungsunterlagen wurden die Prozesse schrittweise beschrieben und in Powerpoint hinterlegt. Damit sind wir sehr gut gefahren."

Konkrete Informationen für jede Schicht

Die IT-gestützte Routine in der Instandhaltung wissen die dort beschäftigten 35 Kollegen inzwischen absolut zu schätzen. Beispiel Schichtwechsel, der 17-fach wöchentlich ansteht. "Die Übergabe ist kurz", so Wiels, "aber alles ist sauber im Schichtbericht aus der Software dokumentiert."

In dem Greengate-System werden die Instandhaltungsaufträge nicht nur vordisponiert, die Instandhalter erhalten auch konkrete Betriebs- und Wartungsanweisungen mit Checklisten. "Der Aufgabenpool ist damit klar, einteilen kann das Mitarbeiterteam seine Schicht selbst. Dieser hohe Grad an Eigenverantwortlichkeit hat sich bewährt." Zudem werden Bilddokumentationen der Inspektionen und Messwerte der Anlagen hinterlegt, perspektivisch auch mobil.

Mobiles Modul vor der Einführung

Muss der Instandhalter heute noch zurück in die Werkstatt, um auf Informationen in GS-Service (zum Beispiel Anlagenstammdaten) zuzugreifen oder Daten wie Auftragsrückmeldung inklusive Arbeitszeit oder Bilder ins System einzupflegen, soll mit dem anstehenden mobilen Modul der Software über windowsbasierte Tablet-PCs alles direkt am Einsatzort passieren. "Das würde Unmengen an Wegezeiten einsparen", so Wiels, der gemeinsam mit zwei weiteren Key Usern das System selbst administriert und die intelligente Vernetzung digitaler und physischer Workflows auch an anderer Stelle forciert.

"Wir verlinken alle Daten zu den Maschinen im System, um einerseits die Instandhaltung an sich zu professionalisieren, um andererseits aber auch zu erkennen: Wo sind die Kostenschwerpunkte? Wo treten Störungen in den Betriebsprozessen auf? Wie sind die Kennzahlen zur Anlagenperformance? Da wir die Anlagen und Prozesse in GS-Service abgebildet und dokumentiert haben, können wir erstmals umfassende Auswertungen fahren. Wir haben einen vorgeplanten Arbeitsvorrat, der bei Rüstwechseln oder Produktionspausen direkt abgerufen werden kann. So können wir schnell und flexibel reagieren und auch kurzfristig Wartungen oder Inspektionen durchführen, da diese vorgeplant sind."

Video: Die Greenate AG

Das Instandhaltungssoftware-Unternehmen Greengate stellt sich vor. - Inhalt: Greengate

Einsparungen von 80.000 Euro

Einen verifizierbaren Effizienz-Schub verzeichnete Armacell durch den Einsatz des Betriebsführungssystems beim Ersatzteilmanagement. "Wir beziffern die Einsparung bei gebundenem Kapital auf inzwischen rund 80.000 Euro – rund 15 Prozent des Bestandsvolumens", so Wiels, "und erwarten noch viel mehr, wenn alle Verbrauchswerte verfügbar sind."

Das Prinzip der neuen Effektivität ist schnell erklärt. Früher wurden in SAP bestandsgeführte Artikel auf Erfahrungswerten basierend eingekauft, eingelagert und in Excel hinterlegt. "Wir wussten allerdings nicht wirklich, wo die kritischen Komponenten sind", so Wiels. Durch die Rückkopplung der Instandhaltungsdaten und Informationen zur Anlagenperformance wird zunehmend klarer, wann welches Ersatzteil – sprich: welches Bestandsvolumen – tatsächlich benötigt wird. "Demnach haben wir Lagersätze definiert und Bestellzeiten hinterlegt, die auf einer Minimum-Maximum-Bestandsführung basieren. Das System meldet die Bestände. Über eine Schnittstelle zum SAP ERP sollen in Zukunft Abgleich und Bestellungen automatisch erfolgen, gegebenenfalls schon ab 2020."

 

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