Bauarbeiter mit orangem Helm vor Gasturbine

Wenn zunächst kein Fehler identifiziert wird, oder die Produktion wiederholt zum Erliegen kommt, wird eine tiefergehende Ursachenanalyse benötigt. Wie genau diese aussehen kann, zeigt TÜV SÜD anhand eines Lagerschadens einer Gasturbine auf. (Bild: Nomad_Soul - stock.adobe.com)

Produktionsausfälle aufgrund defekter Bauteile oder Komponenten verursachen jährlich Schäden in Millionenhöhe. Auslöser sind unter anderem mechanische und thermische Überlastungen, Korrosion oder verschleißende Beanspruchungen. Neben einer Kombination solcher Belastungen treten mitunter Wechselwirkungen unterschiedlicher Faktoren auf. So kann die falsche Ausrichtung einer Maschine zu Verletzungen bei deren Handhabung führen. Werden zum Beispiel Wartungsarbeiten nicht ordnungsgemäß durchgeführt und dokumentiert, kann dies zu gefährlichen Betriebsbedingungen und Kostensteigerungen führen.

Integrale Schadensanalyse hilft auch bei Bauteilbewertung

Diesen Wechselwirkungen ist die Integrale Schadensanalyse von TÜV Süd auf der Spur. Sie geht über eine einfache Bauteilanalyse hinaus und spielt insbesondere bei der Ursachenklärung schwerwiegender Schäden eine Rolle, bei wiederkehrenden Ausfällen oder wenn ein Sicherheitsrisiko für Mitarbeiter, Verbraucher, Sachwerte oder die Umwelt entsteht. Ihre Ergebnisse liefern nicht nur Aufschluss über die Schadensursache, sondern helfen auch bei der Bewertung, ob die Produkteigenschaften von Komponenten oder Bauteilen den Betriebsbedingungen gewachsen sind.

Mit interdisziplinärem Ansatz zur Lösung

Das Expertenteam von TÜV Süd orientiert sich an der VDI 3822 „Grundlagen und Durchführung einer Schadensanalyse“. Dafür ist ein umfassendes technisches Verständnis für die Funktionsweise der Anlage erforderlich. Die bereichsübergreifende Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachabteilungen macht das möglich. So kommen zum Beispiel Experten für Werkstofftechnik, finite Elemente- und Bruchmechanik-Berechnungen, Kraftwerkstechnik, Wasserchemie, Strömungssimulationen (CFD) oder Elektrotechnik zum Einsatz.

Die Sachverständigen dokumentieren zunächst die geschädigten Bereiche. Welche Komponente ist beschädigt und wo wird der Primärschaden vermutet. Wurden Sekundärschäden verursacht, etwa durch Bruchstücke? Ihre Position in der Anlage beziehungsweise Maschine wird dokumentiert, weil es Aufschluss darüber gibt, ob Folgeuntersuchungen erforderlich sind. Es folgt eine systematische Werkstoffanalyse. Dafür werden Bruchflächen analysiert und Festigkeitsanalysen durchgeführt. Parallel werden die Herstellungs- und Betriebsdaten ausgewertet. Das bezieht das Fach- und Bedienpersonal vor Ort genauso mit ein wie verfügbare Betriebsanleitungen und Wartungsprotokolle.

Dieses Vorgehen ermöglicht detaillierte Rückschlüsse darauf, welche Mechanismen ursächlich zum Versagen geführt haben. Die Sachverständigen bewerten die Ergebnisse der Einzelanalysen und stellen einen Gesamtzusammenhang her. Dazu ziehen sie unter anderem gängige Methoden aus der Qualitätssicherung hinzu wie Fehlermöglichkeits- und Einflussanalysen (FMEA), Ursache-Wirkungs-Diagramme (Ishikawa- und Fishbone-Diagramme) oder 5W-Analysen (5-Why-Methode). Auf dieser Basis erarbeiten die Experten in enger Abstimmung mit dem Kunden bzw. dem Betreiber Lösungen und wählen zielgerichtete Maßnahmen gegen ein Wiederauftreten. Nicht zuletzt lassen sich so Haftungsfragen und die Verantwortung für Ausfallzeiten und Schäden klären.

So wurde der Lagerschaden einer Gasturbine entdeckt

Ein Dienstleister für Reparaturen von Dampfturbinen, Generatoren und Kompressoren für die Industrie und Energieversorgungsbranche wandte sich an TÜV Süd: Es sollte der Schaden eines Lagers einer Niederdruckturbine untersucht werden. Einbezogen wurden unter anderem Experten aus der Bruchmechanik, der Werkstofftechnik und für Turbinen. Sie berücksichtigten mögliche Einflüsse aus der Konstruktion, der Montage, der Handhabung und dem Betrieb. Bei der Materialuntersuchung an den verfügbaren Teilen des Niederdruckturbinenlagers konnten die Sachverständigen als Primärschaden die Ermüdung der Lauffläche ermitteln. Weitere Schäden am Käfig wurden als Sekundärschäden identifiziert.

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Als Haupteinflüsse identifizierten die Sachverständigen einerseits einen zu geringen Versorgungsdruck mit Schmieröl beim Turbinenstart. So waren innerhalb eines Jahres fast 100 Alarmmeldungen ausgegeben worden. Zum anderen konnten sie eine Fehlausrichtung des inneren Lagerringes ausmachen, der zu ungleichmäßigem Verschleiß führte. Die Auswertung der Schwingungsmessdaten zeigte, dass sich der Zustand des Wälzlagers über einen längeren Zeitraum verschlechtert hatte. Daher empfahlen die TÜV Süd-Experten im Sinne einer vorausschauenden Instandhaltung, unter anderem die Turbine mit einem verbesserten Überwachungssystem für Schwingungen auszustatten.

Integrale Schadenanalyse besonders für komplexe Fälle geeignet

Je nach Komplexität kann die Integrale Schadensanalyse von TÜV Süd mehrere Tage bis hin zu mehreren Monaten in Anspruch nehmen. Sie lohnt sich vor allem, wenn ein Schaden hohe Kosten verursacht, da sie umfangreiche Analysen umfasst. Durch die Verknüpfung der werkstofftechnischen Untersuchungsmethoden mit verwandten Fachgebieten erhalten Kunden auch für komplexe Schäden Antworten auf die Frage nach der Ursache. Darüber hinaus ermöglicht der integrale Ansatz auch Vorschläge zu Sanierungs- und Reparaturmaßnahmen sowie zur künftigen Schadensvermeidung.

Über die Autoren:

  • Dipl.-Ing. Silke Kirchhoff ist Gruppenleiterin für Komponententechnik – Sicherheit und Zuverlässigkeit bei TÜV Süd.
  • Dipl.-Ing. Dominik Voggenreiter ist Experte für Schadensanalyse und Verbrennungskraftmaschinen bei TÜV Süd.

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