Die Wartung von Raumlufttechnischen Anlagen (RLT-Anlagen) beugt Gefährdungen vor

Die Wartung von Raumlufttechnischen Anlagen (RLT-Anlagen) beugt Gefährdungen vor. - (Bild: stock.adobe.com/romaset)

Eine optimale Luftverteilung gehört zu den wichtigsten Leistungsmerkmalen einer RLT-Anlage, wie eine Raumlufttechnische Anlage gerne abgekürzt wird. Damit erreichen allerdings auch Schadstoffe "effizient in jeden Winkel eines Gebäudes", sagt Professor Uwe Franzke, Geschäftsführer des Instituts für Luft- und Klimatechnik in Dresden. Blätter, Tierhaare, Hautschuppen und Blütenpollen hat er in seiner Praxis als Gutachter in RLT-Anlagen schon vorgefunden. Häufig werden aber nicht nur Schmutz und Allergene durch die Lüftung in der Raumluft verteilt, sondern auch zuvor angesaugte Viren und Bakterien, was die Ansteckungsrate nach oben schnellen lässt. Das spricht für die Wichtigkeit einer korrekten Wartung gemäß der geltenden Vorschriften.

RLT-Anlagen als Gesundheitsrisiko aufgrund mangelnder Wartung

"Schlecht gewartete Klimaanlagen können definitiv krank machen. Sie können Endotoxine in die Luft abgeben, die ein Grippegefühl und Fieber auslösen, aber auch Schimmelpilze und Bakterien, die eine exogen-allergische Alveolitis auslösen – eine Lungenerkrankung mit oftmals schwerem Verlauf", sagt Professor Dr. med. Dennis Nowak, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin am Klinikum der Universität München. Der TÜV Süd warnt: "Mangelhafte Hygiene bei RLT-Anlagen bietet den besten Nährboden für Mikroorganismen. Reizungen der Schleimhäute, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche, Asthma, Allergien oder gar Infektionen sind die Folge."

Normen und Richtlinien für RLT-Anlagen

  • VDI 6022: Die VDI 6022 (in der Schweiz VA104-1) beschreibt den Stand der Technik bezüglich der Hygieneanforderungen an Raumlufttechnische Anlagen und Geräte und an die Beurteilung der Raumluftqualität. Sie gilt als anerkannte Regel der Technik.
  • ArbSchG: Das deutsche Arbeitsschutzgesetz soll die Richtlinie 89/391/EWG, die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie (siehe nächster Punkt), umsetzen.
  • Richtlinie 89/391/EWG: Sie definiert als europäische Rahmenrichtlinie Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitnehmer-Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit. Sie wird auch Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie oder Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz genannt.
  • DIN EN 16798-3: Diese Norm regelt die Planung, Energieeffizienz, Ausführung von RLT-Anlagen und Raumkühlsystemen in Gebäuden, die für den Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, aber keine Wohngebäude sind (Anwendungen in Industrie- und Prozesstechnik sind ausgeschlossen).
  • VDI 2052: Diese Richtlinie bezieht sich auf RLT-Anlagen in gewerblichen Küchen sowie deren raumlufttechnische Behandlung.
  • DIN EN 12599: Diese Norm regelt die Prüf- und Messverfahren für die Übergabe eingebauter raumlufttechnischer Anlagen.

Weitere Normen, Regeln und Gesetze finden Sie auf den Seiten der BG ETEM.

Laut dem Gesundheitsbericht der AOK entfielen in 2018 rund 14,1 Prozent der Krankschreibungen auf Atemwegserkrankungen. Diese haben den zweitgrößten Anteil nach Muskel-Skelett- (20,9 Prozent) und noch vor psychischen Erkrankungen (10,6 Prozent). Das ist aber nur ein Durchschnittswert. Tatsächlich schwankt die Quote bei Unternehmen gleicher Branchen und Tätigkeiten in der Grippe- und Erkältungssaison zwischen drei Prozent und 20 Prozent.

Nach einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) beeinflusst die Luft nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern in den Räumen und Hallen eines Gebäudes. Gut gewartete und richtig eingestellte Raumlufttechnische Anlagen könnten dagegen die Konzentration steigern.

Brandgefahr und Energieverschwendung

Verschmutzte RLT-Anlagen erhöhen zudem die Brandgefahr. Um die erforderliche Luftmenge aufrechtzuerhalten, steigt die Leistung des Ventilators. Lüftermotoren und Antriebe können so heiß laufen, dass sich Stäube und Aerosole entzünden. Nicht zuletzt geht es um Energieeffizienz. Durch den niedrigeren Wirkungsgrad der Anlage erhöht sich der Stromverbrauch.

Video: Reinigung und Desinfektion einer RLT-Anlage nach VDI 6022

In diesem Video zeigen Spezialisten, wie eine Raumlufttechnische Anlage nach VDI 6022 gereinigt und desinfiziert wird. - Inhalt: Igienair GmbH

Inspektion, Reinigung und Co.: Betreiberpflichten bei der Wartung ernst nehmen

Die Betreiber von raumlufttechnischen Anlagen sind dazu verpflichtet, eine einwandfreie Funktion, zum Beispiel durch eine regelmäßige Inspektion oder Wartung sicherzustellen. Lüftungskanäle, Schächte, Filter und die der Luftbefeuchtung dienenden Elemente der Lüftungsanlage müssen in regelmäßigen Abständen gereinigt werden.

Die Hygieneinspektion der Raumlufttechnischen Anlagen und Geräte sind entsprechend den Vorgaben der aktuell gültigen Fassung der VDI-Richtlinie 6022 (siehe Kasten oben) durchzuführen. Diese gilt für alle raumlufttechnischen Anlagen und -Geräte sowie deren zentralen und dezentralen Komponenten, welche die Zuluftqualität beeinflussen. Sie gilt aber auch für Abluftanlagen, wenn diese die Zuluftqualität im Raum beeinflussen können. Anfang 2018 ist eine grundlegend überarbeitete Fassung in Kraft getreten. "Die VDI 6022 ist ein exemplarisches Beispiel dafür, dass Industrieimmobilien und -anlagen immer komplexere Anforderungen an die Unterhaltung und an die technische Betreuung stellen", so Marc-A. Eickholz, Leiter Facility-Management bei Niederberger, einem auf Industrie- und Gewerbeobjekte spezialisierten Gebäudedienstleister, die auch die Wartung der Lüftungsanlage durchführen.

Raumlufttechnik: Wichtige Neuerungen der VDI 6022

  • Verbesserung auch der Außenluftqualität: Nach der alten Regelung durfte die Zuluft nicht schlechter sein als die Außenluft - die sogenannte "Vergleichsluft". Jetzt muss die Raumlufttechnische Anlage auch in der Lage sein, die angesaugte Außenluft zu verbessern, wenn diese bestimmte die Grenzwerte etwa der Weltgesundheitsorganisation (WHO) überschreiten. Eine häufige Ursache ist eine ungünstig gelegene Außenluftansaugung. Abhilfe kann unter anderem der Einbau von Gasfiltern/Aktivkohlefiltern in die Anlage schaffen.
  • Vergleichsmessungen an der RLT-Anlage: Durch Vergleichsmessungen an bestimmten Öffnungen der Lüftung ist festzustellen, ob sich die Qualität der Luft beim Durchlauf im Betrieb verbessert oder verschlechtert.
  • Variable Intervalle der Hygienekontrollen: Bis 2017 mussten die Hygienekontrollen der Lüftung in verbindlich festgelegten Zeitintervallen erfolgen. Nunmehr können diese Zeitabstände verkürzt oder verlängert werden. Solche individuellen Lösungen setzen allerdings ein qualifiziertes lufthygienisches Gutachten im Rahmen einer "Gefährdungsbeurteilung" voraus.
  • Keimzahlbestimmung des Befeuchterwassers in der Regel alle 14 Tage: Bei Raumlufttechnischen Anlagen mit Befeuchtung sind Hygieneinspektionen im Zwei-Jahres-Rhythmus durchzuführen. Hinzu kommen Hygienekontrollen in kürzeren Abständen je nach Anlagenkomponente: zum Beispiel eine orientierende Keimzahlbestimmung, die in der Regel alle 14 Tage erfolgen muss. Das gilt grundsätzlich für alle Arten von Industrie-, Gewerbe- und öffentlichen Objekten.
  • Das Labor muss Zulassung nach § 44 Infektionsschutzgesetz (IfsG) besitzen: Die Auswertung der mikrobiologischen Proben aus RLT-Anlagen ist nur dann rechtssicher und behördlich anerkannt, wenn sie durch ein unabhängiges Labor mit Zulassung nach § 44 Infektionsschutzgesetz (Insg.) erfolgt und in dessen Qualitätsmanagement-System der Probeentnehmer eingetragen ist. Zusätzlich wird eine Akkreditierung dieses Labors nach DIN EN ISO/IEC 17025 empfohlen. Nur so sei eine Auswertung nach standardisierten Prozessen und ein verlässliches Ergebnis gewährleistet.
  • Gefährdungsbeurteilung des Personals in der Wartung: Gefährdungsbeurteilungen sind zentrale Elemente im Arbeitsschutz. Das Instandhaltungspersonal für RLT-Anlagen kommt mit chemischen Stoffen wie Reinigungs-, Desinfektions- und Kältemittel sowie beim Filterwechsel oder bei der Reinigung der Befeuchterkammer des Geräts mit Mikroorganismen wie Bakterien, Schimmelpilzsporen in Berührung. Deshalb muss auch für diese Mitarbeiter, die in der Wartung tätig sind, eine Gefährdungsbeurteilung erstellt werden. Darauf aufbauend hat der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen festzulegen, Betriebsanweisungen zu erstellen, das Personal regelmäßig zu unterweisen und dieses unter anderen mit Schutzausrüstung auszustatten. Weil sich in der Anlage Schadstoffe in hoher Konzentration angesammelt haben können, müssen beispielsweise Handschuhe und Atemschutzfilter getragen werden. Qualifikationsvoraussetzung für die Erstellung einer der Gefährdungsbeurteilung ist der Sachkundenachweis der Kategorie A.
  • Gefährdungsbeurteilung der Beschäftigten: Auch für die Mitarbeiter des Betriebs, die die Luft "nur" einatmen, müssen Gefährdungsbeurteilungen erstellt werden.

Anforderungen an die Standards der Hygieneinspektion

Die vorschriftsmäßige Hygieneinspektion an Raumlufttechnischen Anlagen beginnt mit einer Sichtprüfung. Im gleichen Arbeitsgang werden in der Regel auch die mikrobiologischen Proben an den Geräten entnommen. "Besonders in Befeuchtern, im Befeuchterwasser, in Luftfiltern, Kühlern, Rückkühlwerken, Ionenaustauschern oder Dichtungsmaterialien werden häufig Verkeimungen festgestellt", so Marc-A. Eickholz von der Niederberger Gruppe. Nach Ermittlung des Reinigungsbedarfs sind die Arbeitsgänge und die einzusetzenden Reinigungs- und Lösungsmittel festzulegen.

Qualifikationsanforderungen an die Prüfer: Nach den zwingenden Vorgaben der VDI 6022 darf eine Inspektion nur von Fachpersonal mit Sachkundenachweis durchgeführt werden. Dazu gehören: mindestens ein Abschluss als Meister oder Techniker in der Fachrichtung Technische Gebäudeausrüstung, Versorgungstechnik oder gleichwertig mit mehrjähriger Berufserfahrung mit RLT-Anlagen.

Alternativ dazu kann eine fundierte Ausbildung in der Hygiene, Umweltmedizin oder Mikrobiologie (zum Beispiel Facharzt für Hygiene, Mikrobiologe) oder eine gleichwertige Ausbildung absolviert worden sein, verbunden mit mindestens fünfjährigen praktischen Erfahrungen im Bereich der Raumlufttechnik. Neben der Hygiene-relevanten Qualifikation müssen auch Kenntnisse im Arbeitsschutz nachgewiesen werden. Dem Fachverband Gebäude-Klima ist wiederholt aufgefallen, "dass Filter, Wäscher und Abluftgitter durch gewöhnliche Hausmeister kontrolliert und gereinigt werden". Solche Praxis-Defizite werden von den Fachorganisationen seit vielen Jahren bemängelt. 

Anforderungen an Dienstleister: Aufgrund der "inhouse" zumeist fehlenden Qualifikationen und der inzwischen immer schärferen Kontrollen arbeiten Unternehmen zunehmend mit externen Prüf- und Wartungsdienstleistern zusammen. Dies allerdings entledigt nicht von der Verantwortung und Haftung für eine fachgerechte Durchführung. Dienstleister gibt es wie Sand am Meer; die Zahl der Qualifizierten ist auch in diesem Metier deutlich geringer als die der Anbieter. Deshalb muss sich der Auftraggeber davon überzeugen, dass die Prüffirma die Zertifizierung für Prüfungen nach VDI 6022 oder der Nachweis der entsprechenden Qualifikationen durch Schulungseinrichtungen anerkannter Organisationen wie dem VDI besitzt, am besten durch Vorlage der entsprechen Dokumente.

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Alte RLT-Anlagen sind tickende Zeitbomben

Viele Anlagen in Gebäuden sind seit 20 Jahren und länger in Betrieb. Bei ihnen lösen sich zum Beispiel die mineralischen Dämmstoffe auf. Es besteht die Gefahr, dass Partikel über die Lüftungsanlage in die Raum- und damit in die Atemluft gelangen. "Realistisch lässt sich so eine Lüftungsanlage 15 bis 20 Jahre nutzen. Danach muss sie in der Regel grunderneuert werden. Wir wissen aber, dass in Deutschland fast jede dritte Lüftung aus den 60ern oder 70ern stammt – und damit eher 40 Jahre und älter ist", so Professor Franzke.

Ein typischer Mangel älterer Anlagen der Raumlufttechnik: fehlende Zugänge. "Lüftungskanäle und -rohre sollten mit möglichst vielen großen und kleinen Revisionsöffnungen, also wieder verschließbare Deckel, versehen werden, um regelmäßige Sichtkontrollen oder Kontrollen im Rahmen der VDI 6022 durchführen zu können. Um die hygienischen Anforderungen (VDI 6022) zu gewährleisten, sind Luftleitungen mit Reinigungsöffnungen zu versehen, sodass das komplette Leitungssystem gereinigt werden kann", erläutert Thomas Damm von der Fachabteilung Klima- und Lüftungstechnik im Fachverband Allgemeine Lufttechnik und Arbeitsgemeinschaft Instandhaltung Gebäudetechnik des VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau.

Marc-A. Eickholz: "Solche Anlagen sind nach den geltenden technischen Vorgaben gebaut worden; sie genießen sozusagen Bestandsschutz. An der Notwendigkeit gründlicher Inspektionen ändert das nichts." Manches Problem lasse ich mit moderner Technik überbrücken. Maschinen mit bis zu 40 Metern Wellenlänge, die weniger Revisionsöffnungen erforderten, sollten in der industriellen Wartung ebenso zum Standard gehören wie Inspektionskameras, Unterdruckabsauger oder Reinigungsroboter. Notfalls könne eine Öffnung mit relativ geringem Aufwand nachträglich installiert werden.

Hohe Bußgelder, gefährdeter Versicherungsschutz

Wird die vorgeschriebene Wartung vergessen oder missachtet, kann die Berufsgenossenschaft Bußgelder in Höhe von bis zu 25.000 Euro verhängen. Nicht selten liegt auch ein Verstoß gegen die Energieeinsparverordnung (EnEV) vor. Vonseiten der dafür zuständigen Gewerbeaufsicht droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu 15.000 Euro. Auch der Versicherungsschutz ist gefährdet.

Die Versicherungsbedingungen verweisen auf gesetzliche Bestimmungen, Normen sowie auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik. Wenn es beispielsweise zu einem Brand kommt, ist der Betreiber nur dann auf der sicheren Seite, wenn er die regelmäßige Reinigung und Instandhaltung dokumentierten kann. Gleiches gilt, wenn ein Mitarbeiter erkrankt und behauptet, der Grund sei eine schlecht gewartete RLT-Anlage.

Gibt es keine rechtssicheren Protokolle, muss womöglich ein Gutachten Klarheit bringen, dessen Kosten der Arbeitgeber trägt. Prävention "lohnt" sich in Anbetracht der dadurch vermeidbaren Probleme allemal. Marc-A. Eickholz: "Die Entnahme einer mikrobiologischen Probe dauert, je nach Gegebenheiten, maximal 15 bis 30 Minuten je Anlage. Gut geplante Inspektionen behindern, wenn sie etwa an Wochenenden oder in Schichtpausen durchgeführt werden, in keiner Weise die betrieblichen Abläufe."

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