Collage zur Predictive Maintenance

Die Fertigung und die Instandhaltung sind gleichermaßen berechtigte Key-User und Treiber von Predictive Maintenance – sie sollten eng zusammenarbeiten. Inhaltlich gehört das Thema in die Verantwortung einer erweiterten IT. (Bild: ESCAD Automation GmbH)

Fertigungskosten senken, die Produktivität steigern: Bei den anhaltenden Bemühungen in der Industrie sind Maschinenstörungen und – stillstände ein Horrorszenario für jeden Unternehmer.
Abhilfe verspricht die vorausschauende Wartung (engl. Predictive Maintenance), die laut der IoT-Studie 2020 von IDG Research Services mehr als ein Viertel der Anwender als eine unverzichtbare „Killerapplikation“ betrachteten und inzwischen als Unternehmensstrategie implementiert haben.

Die "Killerapplikation" als Unternehmensstrategie

Erste Schritte:
1.    Datenerfassung aller relevanten Messgrößen
2.    Datentransfer und Datenspeicherung
3.    Datenauswertung und Dateninterpretation

Der Aufwand ist nicht ganz unerheblich: Predictive Maintenance hebt sich von anderen Wartungsarten durch die umfassende Erfassung und gezielte Nutzung von Daten ab. Sie vereint alle Schlüsseltechnologien wie Big Data, Cloud Computing und Machine Learning in einer Smart Factory. Voraussetzung ist immer: das Implementieren von Sensorsystemen. Während moderne Maschinen bereits von Haus aus mit Sensoren bestückt sind und kontinuierlich Informationen liefern, müssen ältere Geräte nachgerüstet und vernetzt werden. Mangels vorhandener digitaler Schnittstellen geschieht dieses Retrofitting oft mit zusätzlichen Sensoren, die Werte wie Geräusche, Vibration, Temperatur oder Stromverbrauch messen. All diese Daten werden dann integriert, in ein passendes Format gebracht und auf einer Plattform zur Verfügung gestellt.

Unternehmen können die relevanten Daten auslesen und in Echtzeit abrufen – sie müssen sie aber natürlich auch sinnvoll speichern! Die Bedeutung der daraus resultierenden Instandhaltungs-IT wird in vielen Unternehmen unterschätzt. Hier bieten sich vor allem EAM – Enterprise Asset Management–Systeme an, die das Datengrundgerüst von vielen komplexen industriellen Anlagen halten, inklusive einer Ausfallhistorie. Diese gilt es mit den Daten aus den Anlagen zu kombinieren.

EAM – Enterprise Asset Management-Systeme

Die Rodias GmbH ist eines der führenden Unternehmen im deutschen Markt für innovative IT-Lösungen und digitale Transformation im Bereich Enterprise Asset Management (EAM) und Instandhaltung von Anlagen. Predictive Maintenance und Asset Performance Management (APM) Lösungen erkennen bereits im Vorfeld, wann welches Problem auftreten wird. Instandhaltungsprozesse werden digitalisiert, der aktuelle Zustand der Anlagen wird in Form konsolidierter Daten abgebildet. Das System macht die Daten und Prozesse sichtbar.

Die Basis: konkrete Ziele formulieren und verfolgen

Beim Einsatz von Predictive Maintenance gibt es grundsätzlich zwei Stoßrichtungen: Zum einen ist es die Vermeidung von Stillständen und deren Dauer. Zum anderen die Optimierung der Auslastung der Anlagen während der Produktion. Beides trägt zur Anlageneffektivität und damit zur Steigerung des Ertrages bei. Technisch gesehen ist Predictive Maintenance an sich nicht komplex – die dafür benötigten Technologien sind erprobt und zuverlässig, die Vorgehensweise bei der Einführung ist bekannt. Komplex sind jedoch zwei bedingende Voraussetzungen: Unternehmen müssen die notwendigen Daten(-reihen) erst einmal verfügbar haben – auch über Zeiträume hinweg – oder diese eben verfügbar machen. Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass die Mitarbeiter bei der Einführung von Predictive Maintenance mitspielen und nicht das Projekt torpedieren. Letztlich bleibt eine Herausforderung, dass das Invest in Predictive Maintenance nicht auf die kurz getakteten Bonus-Regelungen der Verantwortlichen einzahlt, sondern Kostenersparnisse über die Zeit in der Zukunft. Das kann manchen Entscheidungsträger eher dazu bewegen, sein Budget anderweitig zu vergeben. Ein Datenverantwortlicher im Unternehmen kann dabei unterstützen, eventuelle Widerstände in der Belegschaft auszuräumen und zu moderieren.

Flächendeckende Einführung ist wenig sinnvoll

Weder fachlich noch wirtschaftlich sinnvoll wäre es, Predictive Maintenance flächendeckend einzuführen. Vor der Implementierung sollten vielmehr diejenigen Komponenten ermittelt werden, bei denen durch den Invest in Predictive Maintenance eine entsprechende Steigerung der Verfügbarkeit erzielt werden kann.

Für den Aufbau eines funktionierenden Vorhersagemodells sind Datenqualität und -quantität unentbehrlich. Ein Grund, warum Unternehmen bei Predictive-Maintenance-Szenarien auf Prozesswissen von Experten, wie KI-Spezialisten, angewiesen sind. Sie braucht man, sobald man mit großen Datenmengen sinnvolle Auswertungen fahren will, die über Grenzwertbetrachtungen und einfache mathematische Algorithmen hinausgehen. Allerdings sind die bereits erwähnten EAM-Verfahren ein sinnvoller Einstieg in KI-basierte Auswertungen. Weder die KI noch die KI-Spezialisten können das, was als Auffälligkeiten bei Analysen herauskommt, ohne die Kenntnisse der Mitarbeiter vor Ort bewerten. Sie leiten aus den Daten funktionale Zusammenhänge ab. Dabei geht es darum, die Zusammenhänge zu finden, die am besten die jeweiligen Anforderungen abdecken und helfen, die angestrebten Ziele zu erreichen: eine Zustandsdiagnose des überwachten Systems und eine verlässliche Vorhersage seiner nutzbaren Restlebensdauer, der Prognose des sogenannten Remaining Useful Life (RUL).

Im nachfolgenden Interview schildert Mark Oliver Passauer, Senior Consultant bei der ESCAD Automation GmbH, seinen industriellen Blick auf das Thema Predictive Maintenance:

Wie starten Sie mit Ihren Kunden in den Prozess, Predictive Maintenance zu implementieren?

PorträtMark Oliver Passauer
Mark Oliver Passauer. (Bild: ESCAD Automation GmbH)

Es muss vom Kunden zunächst ein konkretes Ziel definiert werden: Welche Daten will ich abfragen, um eine bestimmte Analyse durchführen zu können? Diese pragmatische Herangehensweise ist notwendig, um große Mengen an "Datenschrott" zu vermeiden. Dieser verursacht unnötige Kosten durch Speicherung und Management. Die Konzentration liegt auf den Daten, die man wirklich zur Entwicklung passender Algorithmen benötigt.
Im Industriebereich gibt es kein zentrales Warehouse zur Datenaufnahme, sondern nur diverse Maschinen. Anders als etwa im Retailbereich, wo Daten - aus diversen Kassensystemen kommend - im Warehouse zentralisiert zur Verfügung stehen.
In Industriebetrieben gilt es zunächst zu prüfen, ob die für eine Beantwortung benötigten Daten über bereits vorhandene Sensoren an den Maschinen geliefert werden können, oder ob zusätzliche Sensoren implementiert werden müssen. Darüber hinaus benötige ich Informationen darüber, wie die Daten abgenommen werden können. Was gibt es für Schnittstellen? Welche Form der Dokumentation existiert? Gibt es REST-APIs?

Stehen die Daten in der Cloud oder beim Kunden?

Wir haben festgestellt, dass viele Kunden ihre Daten nicht in die Cloud schieben wollen. In diesen Fällen leisten wir Überzeugungsarbeit. Denn die Cloud bietet in Bezug auf Skalierbarkeit, Speicherplatz, Geschwindigkeit bei Rechenprozessen, Betriebskosten und der Möglichkeit, alternative Tools zu nutzen, vielfältige und günstigere Möglichkeiten.

Wie gewährleisten Sie Datensicherheit?

Wir setzen für Industriedaten dieselben Sicherheitsmaßstäbe an wie im Retailbereich an PII-Data (Personally Identifiable Information data). Sie bedürfen eines besonderen Schutzes, dementsprechend verschlüsseln wir das Verarbeiten und Halten der Daten in der Cloud. Aus diesem Grund ist es immer ratsam, die IT im Unternehmen in das Vorhaben mit einzubeziehen und ihr gegenüber in eigenen Sessionen zur Data Security maximale Transparenz zu bieten. Dies hilft dem Kunden, zu verstehen, warum wir etwas auf eine bestimmte Art und Weise tun.

Wie prüfen Sie die Qualität der Daten?

Wir prüfen das über Plausibilitäts- und Integritätschecks ab. Sind alle Parameter vorhanden? Gibt es in dem Zusammenhang auffällige Peaks oder fehlen Daten? Wenn das der Fall ist, schauen wir uns das genauer an. Eventuell ist ein Sensor defekt oder ähnliches. Wir stellen Daten für den Kunden anschaulich dar.

Tabelle Datamanagement
(Bild: ESCAD Automation GmbH)

Es beginnt die Datenanalyse: Wie gehen Sie vor?

Aus den Daten generieren wir mit der Instandhaltungssoftware, die bei Rodias im Einsatz ist, Servicetickets. Ein Beispiel aus der Praxis: Daten, die systemisch herausgelesen wurden, weisen darauf hin, dass ein fahrerloses Transportsystem bereits 3.000 Stunden gefahren ist und ein entsprechender Service wie Batterietausch, Wechsel des Keilriemens oder Säubern der Sensoren ansteht. Automatisch wird dann der Instandhaltungsauftrag generiert.
Algorithmen machen die Modelle überdies lernfähig. Damit automatisieren wir nicht nur die vorausschauende Instandhaltung, sondern sorgen auch für adäquate Reaktionen bei Veränderungen im Verhalten der Maschinen, aber auch in den Rahmenbedingungen. So werden die Voraussetzungen geschaffen, dass sich Wartungsvorgänge, -intervalle und Ersatzteilhaltung optimal an die aktuellen Bedingungen anpassen lassen. Sie helfen dabei, Abweichungen zu erkennen, ehe die Maschine größeren Schaden nimmt.

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