Wissen, wann es gut ist mit dem selbst probieren. Wenn man nicht weiterkommt, sollte man nicht zu stolz sein, externe Experten zu Rate zu ziehen.

Wissen, wann es gut ist mit dem selbst probieren. Wenn man nicht weiterkommt, sollte man nicht zu stolz sein, externe Experten zu Rate zu ziehen. (Bild: Solid photos - stock.adobe.com)

Eine der wenigen Sendungen, die ich mir gerne im Fernsehen anschaue, ist „Kitchen Impossible“, bei der der Koch Tim Mälzer zusammen mit wechselnden Koch-Kollegen:innen in unterschiedlichen Ländern eine landestypische Spezialität nachkochen muss. Immer wieder werden sie dabei vor Herausforderungen gestellt, die auf den ersten Blick doch gar nicht so schwer erscheinen, sich dann aber doch als sehr speziell herausstellen. Und stets scheitern die Starköche unter deftigem Fluchen an Gerichten, die mir (als Koch-Laie) so einfach erscheinen. Und dabei sitze ich gemütlich auf dem Sofa und erfreue mich am Scheitern diese Spitzenköche.

So auch in der Weihnachtsedition von Kitchen Impossible, als der Sterne-Koch Tim Raue in Apulien den italienischen Weihnachtskuchen Panettone nachbacken sollte. Bis dahin kannte ich Panettone nur als trockenen Kuchen und nicht als die Delikatesse, die er frisch gebacken ist. Daher (und weil ich selbst nie backe) konnte ich mir nicht vorstellen, was daran schwer sein sollte. Doch zu aller Überraschung hat Tim Raue diese Back-Challenge komplett verweigert. „Nein. Das machen wir nicht. Keine Chance“, so Tim Raue beim Anblick des Panettone. Er sei jemand, der eigentlich alle Herausforderungen annehme. Aber man müsse auch wissen, wann genug ist. Statt sich am Feingebäck zu versuchen, ließ Raue sich das Rezept einfach zeigen.

Seine eigenen Grenzen zu kennen, stellt nicht selten eine große Herausforderung dar und gelingt nicht immer sofort. In diversen Lebensratschlägen wird uns gesagt, niemals an sich zu zweifeln, denn man müsse es nur konsequent wollen, dann könne man alles erreichen. Die Aufforderung, seine Grenzen auch mal zu überschreiten, gaukelt uns vor, wir könnten alles, wenn wir es nur versuchen.

Ja, und auch ich versuche häufig, meine Studis mit solchen Sprüchen zu motivieren. Und werde es in einem gewissen Maße auch weiterhin tun. In einer Welt, in der so vieles immer komplexer wird, ist es aber zunehmend wichtig, auch zu erkennen, wo die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen definitiv enden und ein „Weiter so“ zu keinem guten Ergebnis führen würde. Es gilt, bei allem Mut und aller Entschlossenheit sich und seine Chancen auf Erfolg trotzdem realistisch einzuschätzen.

Warum erzähle ich das? Ich möchte mir selbst erklären und rechtfertigen, warum ich die neuerliche Reparatur meines Trockners, von dem ich bereits erzählt habe, nicht mehr selbst zu Ende geführt habe. War ich vor einigen Monaten noch so stolz darauf, einen Defekt im Türverschluss mit einem Kniff selbst repariert zu haben, so musste ich nun, als die Wäsche auch nach Stunden immer noch nicht trocken war, meine eigenen Grenzen erkennen. Schuster, bleib bei deinem Leisten. Ich bin gut im Konzipieren, Präsentieren und Motivieren, aber nicht in der Instandsetzung von Feinmechanik und erst recht nicht von der Elektronik eines Haushaltsgeräts. Irgendwann ist auch Schluss mit dem MacGyver-Gehabe. Kleinlaut habe ich meine anfänglichen Reparatur-Bemühungen einstellen müssen.

Der Autor Prof. Dr. Lennart Brumby

Lennart Brumby

Prof. Dr. Lennart Brumby ist Studiengangsleiter für Service Engineering an der DHBW Mannheim. Der ausgewiesene Instandhaltungs-Experte ist Mitglied im DIN Normungsausschuss Instandhaltung, im EAMC European Asset Management Committee, im FVI Forum Vision Instandhaltung, in der GFIN Gesellschaft für Instandhaltung, im KVD Kundendienst-Verband Deutschland, im VDI Fachausschuss After Sales Service, im VDI Fachausschuss Instandhaltung und WVIS Wirtschaftsverband für Industrieservice. Seine Kolumne erscheint exklusiv beim Fachmagazin Instandhaltung.

Letztlich kann ich auch auf die Inhalte meiner eigenen Vorlesungen zum Outsourcing und zum Partnermanagement in der Instandhaltung verweisen. Dort wird gelehrt, dass die Instandhaltung sich auf die eigenen Kernkompetenzen konzentrieren sollte und von den Qualifikationen der anderen Service-Partner profitieren kann. So ist es in meinen Augen selten sinnvoll, wenn man als interne Instandhaltung im Zuge der Predictive Maintenance versucht, mühselig eigene Kompetenzen im Bereich der Datenanalyse und der künstlichen Intelligenz aufzubauen. Dafür gibt es Experten und Spezial-Unternehmen, die genau dies als ihre Kernkompetenzen ausgebildet haben und ihr Expertise gerne mit der Instandhaltung teilen. Gleichzeitig sollten diese Spezial-Unternehmen sich richtig einschätzen und nicht glauben, dass sie mit ihrer KI dann gleich alle Instandhaltungs-Probleme lösen könnten.

„Seine Grenzen zu kennen, ist überlebenswichtig“ soll schon der gute alte Warren Buffett gesagt haben. Tim Raue hat sich durch seine Verweigerung eine Blamage erspart. Ich habe durch den Verzicht einer neuerlichen Reparatur des Trockners viel Zeit gewonnen. Denn mit den nun wieder zahlreich anstehenden Instandhaltungskonferenzen (u.a. Instandhaltungstage in Essen, InstandhaltungsForum in Dortmund und VDI-Forum Instandhaltung in Köln) gibt es für mich genug zu tun.

Ihr, der sich nun wieder auf seine eigentlichen Stärken konzentrierende

Lennart Brumby

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