Verlegung der EUGAl-Pipeline für Erdgas

An der EUGAL, der Europäischen Gas-Anbindungsleitung, wäre übermäßige Korrosion eine Katastrophe. Darum kümmerte sich der TÜV Süd um den Korrosionsschutz der Pipeline. (Bild: EUGAL)

Die Europäische Gas-Anbindungsleitung (EUGAL) transportiert bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr. Die 2021 vollständig fertiggestellte Pipeline führt von Lubmin an der Ostsee über 480 Kilometer nach Deutschneudorf an der deutsch-tschechischen Grenze und unterquert mehrere Flüsse. Damit sie langfristig sicher betrieben werden kann, prüfte TÜV Süd den Korrosionsschutz entlang ihres gesamten Verlaufs.

Völlig unterbinden lässt sich Korrosion nicht. Um Schäden zu vermeiden, muss sie so weit wie möglich reduziert werden. Neben dem passiven Korrosionsschutz durch Beschichtungen werden dafür auch aktive Schutzsysteme eingesetzt. Sie tragen zum Werterhalt der Bauteile, zur Betriebssicherheit und zum Schutz der Umwelt bei.

Erdverlegte Rohrleitungen wurden früher mit Bitumen-Glasvlies beschichtet, um eine lange Lebensdauer zu gewährleisten. Heute verwenden die Hersteller dafür meist Polyethylen. Solche Beschichtungen müssen intakt sein, damit sie gegen Korrosion wirken. Deshalb untersuchen Experten die gesamte Isolierung vor dem Verlegen der Rohrleitung mit einem Hochspannungsprüfgerät auf Fehlerfreiheit.

Dieser passive Schutz allein gewährleistet jedoch noch keinen sicheren Betrieb. Beschädigungen der Beschichtung sind sowohl in der Bauphase möglich als auch im Betrieb, zum Beispiel durch Druckstöße auf die Leitungen, Temperaturveränderungen, spätere Bauarbeiten oder erhöhte Flächenpressung zwischen Rohr und Rohrbettung durch Steine und felsigen Untergrund. Deshalb wird der passive Schutz aus Oberflächenbeschichtungen durch aktive Schutzmaßnahmen ergänzt.

Schutzsysteme im Vergleich

Passiver Anlagenschutz: Oberflächenbeschichtungen trennen das Metall von seinen Reaktionspartnern; sie bilden eine Barriere. Hersteller verwenden dafür organisches Material, Lack, Emaille, Gummi oder Kunststoffe. Eine andere Möglichkeit sind Konversionsschichten, bei denen durch elektrolytische Oxidation oder elektrogalvanische Verfahren eine Schutzschicht erzeugt wird. Solche Schichten können zum Beispiel durch Phosphatierung, Eloxierung oder Chromatierung erzeugt werden.

Aktiver Anlagenschutz: Aktiver Anlagenschutz mischt sich in die Chemie der Reaktionen ein. Diese Schutzart wird hauptsächlich für Werkstoffe eingesetzt, die während ihrer Nutzung schwer zugänglich sind und nicht regelmäßig neu beschichtet werden können, wie zum Beispiel erdverlegte Rohrleitungen, Wasserbauwerke, Kessel in Kraftwerken oder die Außenhaut von Schiffen. Aktiver Schutz gegen korrosive Vorgänge erfolgt auf der Grundlage des kathodischen oder des anodischen Korrosionsschutzes und durch die Beeinflussung des Werkstoffs oder des korrodierend wirkenden Mediums.

Kathodischer Korrosionsschutz

Eine weitverbreitete aktive Schutzmaßnahme, die auch bei der EUGAL angewendet wird, ist der kathodische Korrosionsschutz, kurz: KKS. Prinzipiell handelt es sich dabei um ein elektrochemisches Verfahren, bei dem das zu schützende Objekt durch einen kathodischen Strom polarisiert wird Sogenannte Opferanoden aus einem unedleren Metall sorgen für eine Potenzialabsenkung und korrodieren anstelle des zu schützenden Objekts (Kathode). Der Schutzstrom entsteht allein durch den Potenzialunterschied zwischen Anode und Schutzobjekt gemäß der elektrochemischen Spannungsreihe. Voraussetzung ist, dass die Kathode und die Anode durch ein elektrisch leitendes Element (Elektrolyt) verbunden sind. KKS reduziert die Korrosionsgeschwindigkeit auf ein vertretbares Maß. Die Methode wird unter anderem beim Innenschutz von Stahltanks eingesetzt. Für die Anode wird in der Regel Magnesium, Zink oder Aluminium verwendet. Bei Kupferbehältern ist das Opfermetall hingegen Eisen.

Rohrleitungen – wie zum Beispiel die EUGAL – oder große Lagerbehälter haben aufgrund ihrer Ausdehnung einen größeren Schutzstrombedarf. Die kathodische Schutzanlage speist als externe Gleichstromquelle einen Fremdstrom in das System ein. So wandern kontinuierlich Elektronen an die Oberfläche des Schutzgutes. Der angelegte Gleichstrom sorgt für eine kathodische Polarisation. Das Metall-Medium-Potenzial wird zu negativeren Werten verschoben. Die elektrochemische Reaktion reduziert die Korrosionsgeschwindigkeit so weit, dass kein nennenswerter Materialabtrag mehr stattfindet. Die Anode besteht aus inerten Materialien wie beispielsweise Eisensilizium.

Korrosionskontrollstelle
So werden die Messstellen an der Pipeline gekennzeichnet. (Bild: TÜV Süd)

Komplexe Überwachung

Die Funktion des KKS wird im Betrieb kontinuierlich überwacht. Dazu werden die Schutzpotenziale, Rohrströme und Widerstände in zuvor festgelegten zeitlichen Abständen gemessen. Die Ausschaltmessung ist seit langem Stand der Technik. Neu hinzu kommen Methoden wie die Intensive Fehlstellen-Ortung (IFO) und Intensivmessung. Auch der Einfluss fremder Anlagen in der Umgebung ist zu beachten. So können zum Beispiel Straßenbahnen, Hochspannungsleitungen und Bahnstrecken Streu- oder Wechselströme erzeugen, die zu Schäden an der Pipeline (Wechselstromkorrosion) oder sogar zur Gefährdung von Menschen durch Berührungsspannungen führen. In ländlichen Gebieten müssen Pipelines daher mindestens alle drei Kilometer, in städtischen oder Industriegebieten sogar jeden Kilometer über Messstellen verfügen. Weitere Messstellen sind erforderlich in der Nähe anderer Leitungen, an Dükern, wenn die Leitung Flüsse unterquert, und überall dort, wo die Leitung anderweitig beeinflusst wird. Eine Messstelle besteht aus einer elektrisch leitenden Verbindung (Kabel) zur Rohrleitung sowie gegebenenfalls zu den zugehörigen Sensoren. Grundlegende Vorgaben zu den Messverfahren machen die DIN EN 13509 und DIN EN ISO 15589-1.

Ein Vorteil von KKS mit Fremdstrom ist, dass sich die Anlage damit praktisch fernsteuern und -überwachen lässt. Die für die Ausschaltmessung erforderliche Regelung der Schutzanlagen und die Übermittlung der täglich automatisch abgefragten Messwerte erfolgt dann über den Mobilfunkstandard GSM. Personal- und kostenintensive monatliche Funktionsprüfung vor Ort entfallen.

Sensiblen Messstellen, die das Schutzpotenzial und den Schutzstrom kontrollieren, helfen zudem, neue Fehlstellen zu lokalisieren. Mitunter entstehen durch den Einsatz externer Bagger, Fräsen oder Bohrer Beschädigungen des Rohrmaterials oder der Ummantelung. Sie lassen sich unmittelbar feststellen und über Intensivmessungen exakt orten. Angepasste Messstellen und Übertragungssysteme ermöglichen somit sogar eine Früherkennung. Die Arbeiten können sofort gestoppt und Unfälle rechtzeitig vermieden werden.

Gut geprüft von Anfang an

TÜV Süd begleitet den Betrieb der KKS-Anlagen an der EUGAL-Pipeline auch nach Inbetriebnahmen. Eine weitere Leistung von TÜV Süd ist die Prüfung von Systemen zur Fernüberwachung der KKS. Betreiber profitieren von maximaler Sicherheit sowie von einem lückenlos überwachten Betrieb. Das spart Wartungs- und Instandhaltungskosten und verhindert Unfälle in Folge von Leckagen –über die gesamte Lebensdauer.

Korrosion

Korrosion beschreibt die elektrochemische Zersetzung meist metallischer Werkstoffe. Bei der Verarbeitung von Eisenerz im Hochofen zu Stahl, ordnet sich das atomare Gefüge zu einer Gitterstruktur, das von Elektronen aufrecht gehalten wird. Bei erdverlegten Installationen kommt der Stahl in Kontakt zum elektrisch leitfähigen Boden. Aufgrund des Potenzialunterschieds fließt elektrischer Strom und das Elektronengitter löst sich auf. Der Stahl strebt nach seinem ursprünglichen Zustand als Eisenerz. Elektronen und Eisen reagieren mit dem Boden und es kommt zur Korrosion.

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