Die Fregatte Hamburg im Schwimmdock. Nebenan liegen weiter, ältere Kriegsschiffe.

Die Fregatte Hamburg liegt für etwa ein Jahr im Schwimmdock - abgeschirmt vor äußeren Witterungseinflüssen und damit als Schiff überhaupt nicht zu erkennen. (Bild: Dietmar Poll)

"Wo ist jetzt das Schiff?", lautet meine erstaunte Frage als Landratte, nachdem ich das Schwimmdock des Marinearsenals in Wilhelmshaven betreten habe und erstmal nur ein Baugerüst wahrnehme. Um die Frage dann selbst zu beantworten, als ich ein schmales, steil aufragendes und rostrotes Objekt entdecke: "Ah, das ist wohl das Ruder", vermute ich. Dann sehe ich noch eine kreisrunde, blanke Abdeckplatte, wo sich normalerweise einer der beiden Propeller befindet. Diese sind jedoch zur Instandsetzung abmontiert und die Verbindung zur Antriebswelle und dem Inneren des Schiffs ist eben durch diese stählerne Platte verschlossen.

Zeitgleich dämmert mir, dass ich mich weit unterhalb der Wasserlinie unter dem Heck der Fregatte Hamburg befinde, von der wie gesagt kaum etwas zu sehen ist, da sie durch ein Baugerüst engmaschig umschlossen ist. "Es benötigt sechs Wochen, um das Gerüst aufzubauen und das Schiff mit Planen einzuhausen, damit es gegen äußere Wettereinflüsse abgeschirmt ist. Zusätzlich wird die Luft durch eine externe Klimatisierung getrocknet, damit kein Kondenswasser entstehen kann – vor allem aufgrund der Elektronik an Bord. Insgesamt liegt die Fregatte ein Jahr im Schwimmdock", erklärt der Instandsetzungsbeauftragte (InstB). Sein Name darf aufgrund seines korruptionsgefährdeten Dienstpostens nicht genannt werden.

 

Kriegsschiff als komprimierte Version eines Kreuzfahrtschiffs

"Man muss sich das Schiff wie ein über 400 Meter langes Kreuzfahrtschiff vorstellen: Viele Anlagen, die mitgeführt werden sind primär dafür da, weil Menschen an Bord leben  – wir brauchen Toiletten, Frischwasser und Kombüsen. Natürlich haben wir auch Waffen und Sensoren an Bord, aber den hauptsächlichen Raum brauchen wir, um die Soldaten mitzunehmen. Es ist also mit einem Kreuzfahrtschiff vergleichbar, presst dies und die darin enthaltene Technik aber zusammen auf eine Länge von 140 Metern", sagt der InstB.

"Einige Anlagen sind aus Redundanzgründen doppelt und dreifach an Bord, weil sichergestellt sein muss, dass das Schiff betriebsfähig bleibt, auch wenn es selbst getroffen wird. Daraus ergibt sich eine sehr hohe Packungsdichte, das heißt, jeder Raum, der verfügbar ist, ist vollgestopft mit Pumpen, Lüftern, Serverschränken und Energieerzeugungsanlagen", so der InstB. Es gebe nur wenige Räume, wo man wirklich Platz habe außer den dafür vorgesehenen Besprechungsräumen.

Platzmangel als Hindernis von Wartung und Instandhaltung

"Das macht es zum Teil schwierig festzustellen, ob Anlagen defekt oder in einem schlechten Zustand sind, weil man sie nicht sieht oder gar nicht hinkommt. Manchmal muss man erst größere Komponenten demontieren, um überhaupt ein dahinter befindliches Ventil überprüfen zu können", klärt er auf. Somit fände das Team während der Instandsetzung bei Demontagearbeiten immer wieder zusätzlichen Instandsetzungsaufwand.

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Teile der Schiffsbesatzung dauerhaft an Bord

In unmittelbarer Nähe des Schwimmdocks gibt es zahlreiche Container für Fremdfirmen. Bei der Instandhaltung sind je nach Größe des Schiffs auch fünf bis 17 Personen der Schiffsbesatzung als Wache dauerhaft an Bord oder - wegen der Lärmbelästigung - in unmittelbarer Nähe des Schiffs in den Containern für Ruhezeiten.

Auf das Schwimmdock gelangt man nur via Einlasskontrolle. Mittels Indoor-GPS wird auch jede Person im Dock geortet. Im Brandfall beginnt die Feuerwehr erst mit dem Löscheinsatz, wenn geklärt ist, ob tatsächlich keine Personen mehr im oder auf dem Schiff sind.

2.000 Instandsetzungsmaßnahmen müssen koordiniert werden

Fregatte Hamburg
Hinter dieser Hülle verbirgt sich nicht nur die Fregatte Hamburg, sondern auch jede Menge Arbeit. Waffen und andere Komponenten werden ausgebaut und in den Hallen des Marinearsenals Instand gesetzt. Das Schiff selber wird im Trockendeck wieder auf Vordermann gebracht. (Bild: Dietmar Poll)

Es gibt etwa 2.000 Instandsetzungsforderungen  für die Fregatte Hamburg. Der InstB und seine sechs Mitarbeiter sind dafür zuständig, die von der Marine verlangten Instandsetzungsforderungen in Aufträge an die Industrie umzusetzen. Dazu zählen das Erstellen der Leistungsbeschreibung, die Einleitung der Vertragsvergabe, Prüfung der Vertragserfüllung und Freigabe der Gelder.

Zusätzlich gibt es eine weitere dem Instandsetzungsbeauftragten unterstellte siebenköpfige Gruppe, die mit dem Management auf der Baustelle beauftragt wird. "Sie koordiniert demnach die Auftragnehmer, die wir unter Vertrag genommen haben", erklärt der InstB.

"Bei uns bleibt das Bordkommando auch in der Werft durchgehend verantwortlich für die Einheit. Wir haben mindestens eine schiffstechnische Wache, also einen Mindestpersonaleinsatz von fünf Personen, die dauerhaft an Bord sind, um sicherzustellen, dass zum Beispiel die Feuermeldeanlage bedient wird", ergänzt er.

Werftliegezeit erst nach Demontage der Waffen

Doch nach welcher Reihenfolge wird eigentlich gearbeitet? "Nachdem die Sensoren und Effektoren abgebaut sind und wir in die Werftliegezeit kommen, wird überall losgelegt. Außen kommen Anbauteile weg, Konservierung und Rost werden entfernt und innen wird zeitgleich mit dem Rückbau begonnen und Pumpen, Motoren sowie Unterkünfte werden demontiert", so der InstB.

Ausgenommen davon sei der Gerüstbau. Er müsse für alle Arbeiten direkt an der Außenhaut – vor allem für den Unterwasserbereich – abgeschlossen sein, bevor Fachpersonal da überhaupt hinkäme. "Bis das Gerüst komplett steht und mit Zeltplane eingehüllt ist, werden sechs Wochen benötigt. Während dieser Zeit finden aber schon Arbeiten auf und im Schiff statt. Ohne das Bordkommando und ohne uns sind es im Peak etwa 150 bis 200 Leute, wobei der Peak zur Zeit des Gerüstbaus besteht", sagt er

Was im Schwimmdock Instand gesetzt wird

Im Schwimmdock (und nicht im Marinearsenal) werden folgende Einheiten von der Industrie beziehungsweise Unterauftragnehmern Instand gesetzt:

  • Schiff mit Ausrüstung und Einrichtung
  • Antriebsanlagen
  • Elektrische Anlagen
  • Schiffsbetriebsanlagen

Dafür ist das Schiff komplett eingehaust. Das ist eine Voraussetzung für die Bearbeitung des Schiffskörpers durch Korrosionsbehandlung sowie Anstrich und dient dem Umweltschutz zum Beispiel wegen Schleifarbeiten und Schleifstaub. Das muss immer gemacht werden, wenn ein Schiff in einem Dock Instand gesetzt wird. Bei einem Trockendock  fährt das Schiff in das Dock, das mit Wasser geflutet ist. Vergleichbar wie bei einer Schleuse wird das Wasser anschließend abgelassen, so dass das Schiff letztlich auf dem Trockenen steht. Beim einem Schwimmdock, wie es im Marinearsenal verwendet wird, kann das Dock selbst durch Flutung darin verbauter Ballasttanks abgesenkt werden, anschließend fährt das Schiff in das abgesenkte Schwimmdock hinein. Ist es korrekt positioniert werden die Ballasttanks des Schwimmdocks geleert und das Schwimmdock hebt sich mitsamt des darin befindlichen Schiffs aus dem Wasser, bis die Docksohle trocken fällt.

Projektmanagementsystem für Instandhaltung notwendig

Die zeitliche Steuerung auf der Baustelle laufe separat in einem Projektmanagementsystem. "Das ist bei uns primär MS Project, wo dann eben von den Firmen die firmeneigenen Planungen in diesem Format gefordert sind, die bei uns eingereicht werden und in einer großen Datei zusammengefügt werden. Anhand dieser Basis kann dann die Arbeitsreihenfolge auf und an dem Schiff koordiniert werden", erklärt der InstB.

Die größte Herausforderung bei der Instandhaltung sei "sicherlich die Termineinhaltung, dass alles zu dem Zeitpunkt fertig wird, an dem es auch fertig werden soll", wie der InstB darstellt. Beispielsweise, müsse für manche Arbeiten erst das Gerüst stehen oder die Außenhaut aufgeschnitten werden. Denn jeder Terminplan, der eingereicht werde, sei meist aufgrund von unvorhersehbaren Ereignissen schon wieder hinfällig.

Meilensteine trotz Lieferproblemen im Blick behalten

"Dabei darf man das Ziel nicht aus den Augen verlieren, Meilensteine zu erreichen, denn auch wenn es sich um einen langen Zeitraum handelt, so muss das Schiff doch zu einem definierten Zeitpunkt wieder einsatzbereit sein. Erschwert wird dies durch die aktuellen Lieferprobleme", beschreibt der Instandsetzungsbeauftragte.

Nicht vergessen dürfe man dabei, "dass wir kein Premiumkunde der Industrie sind, mit Schiffen, die vielleicht eine Auflage von drei oder vier Stück pro Klasse haben", vermerkt er. Im Vergleich dazu laufe ein Panzer geradezu in Serie.

"Sind wir mit der Instandsetzung durch, gibt es verschiedene Abnahmefahrten. Nach der Werftphase gibt es eine Werftprobefahrt, bei der wir feststellen, ob das Schiff wieder funktionsfähig ist. Im Anschluss wird mit dem Einbau der Sensoren und Effektoren - also Waffen – aus dem Schiff wieder ein Kriegsschiff, dessen volle Funktionsfähigkeit wird zum Abschluss des Vorhabens ebenfalls überprüft", lässt der InstB wissen.

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Corona und Lieferketten als böse Überraschungen

Auf die Frage, welche bösen Überraschungen es bei solch einem großen Projekt gebe, nennt der InstB aktuell Corona. Das habe die Verfügbarkeit von Personal betroffen, denn es habe sich schon mal eine Firma für zwei Wochen komplett von der Baustelle abmelden müssen.

Böse Überraschungen gebe es auch zu ungünstigen Zeitpunkten, das sei dann meistens gegen Ende der Vorhaben und während der Inbetriebnahme. "Dann fahren erste Anlagen hoch aber andere funktionieren nicht, obwohl sie anfangs noch funktioniert hatten und deshalb nicht repariert werden mussten. Demnach sind sie einfach abgeschaltet worden, haben dann aber durch die Stillstandzeit einen Schaden genommen oder ein Problem ist nicht erkannt worden . Da funktioniert plötzlich eine Pumpe oder ein Ventil nicht mehr und es ist eventuell kritisch, noch ein Ersatzteil zu beschaffen", beschreibt der InstB.

Kleinere Wartungsarbeiten auch auf hoher See möglich

Kleinere Wartungsarbeiten seien übrigens auch auf hoher See möglich. Dazu zählten Abschmieren, Filterwechsel, Ölwechsel und Klimaanlage warten. Aber auch an einem Zylinderkopf eines Motors könne mitunter gearbeitet werden, weil auch gewisse Ersatzteile an Bord seien.

"Es ist auch eine mechanische und eine E-Werkstatt an Bord. Da können auch Bauteile selbst gefertigt werden. Die Besatzung hat auch fast immer einen 3D-Drucker mit dabei, um Kleinteile selbst zu drucken. Da aber fast alles redundant ist, ist ein Abbruch  des Einsatzes bis zum nächsten Instandhaltungstermin nicht nötig. Oder bei der nächsten Hafenliegezeit zum Betanken sind eingeflogene Ersatzteile samt Monteuren vor Ort", so der InstB.

Was mich an dieser Reportage besonders begeistert hat

Dietmar Poll Redakteur mi connect
Dietmar Poll, Redakteur bei mi connect (Bild: mi connect)

Nun habe ich in meinem Berufsleben als Redakteur schon so einige Werke besichtigt, sei es die von Maschinenbauern oder von Automobilherstellern. Viele Besuche davon waren mehr oder auch weniger beeindruckend. Aber die Instandhaltung eines Kriegsschiffes hautnah mitzuerleben war schon etwas Besonderes. Bei dieser unglaublichen Komplexität den Überblick zu behalten, grenzt für mich schon an ein kleines Wunder. Ein so dermaßen mit Technik vollgestopftes Schiff von der Brücke bis in den untersten Maschinenraum größtenteils zu zerlegen – und dann auch wieder richtig zusammenzusetzen – davor ziehe ich meinen Hut. Mein Respekt gebührt dem Instandsetzungsbeauftragten, seinem Team sowie auch den zahlreichen Fremdfirmen vor Ort und natürlich dem Teil der Besatzung, die während der einjährigen Instandsetzung dauerhaft vor Ort ist.

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