Dieselelektrische Antriebe von Lokomotiven sind komplexe Systeme. Tritt hier ein Fehler auf, kann die Suche nach der Ursache schwierig werden.

Dieselelektrische Antriebe von Lokomotiven sind komplexe Systeme. Tritt hier ein Fehler auf, kann die Suche nach der Ursache schwierig werden. (Bild: sorapop - stock.adobe.com)

Integrale Schadensanalyse ist eine Methode zur Analyse und Bewertung von Schäden, die durch ein bestimmtes Ereignis wie einen Unfall oder eine Naturkatastrophe verursacht wurden, um die Kosten für Reparaturen oder den Wiederaufbau abzuschätzen. Diese Methode berücksichtigt in der Regel nicht nur die physischen Schäden an Gebäuden und Infrastruktur, sondern auch die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen des Ereignisses. Es wird häufig von Versicherungsunternehmen, Regierungsbehörden und anderen Organisationen verwendet, um ihre Entscheidungsfindung und Planung für die Wiederherstellung nach einer Katastrophe zu unterstützen.

Ein Kunde beauftragte die TÜV SÜD Industrie Service GmbH mit einem Optimierungskonzept für den dieselelektrischen Antrieb von Lokomotiven: wiederholt waren Triebfahrzeuge der Fahrzeugflotte ausgefallen oder erlitten Leistungseinbußen. Bei einem dieselelektrischen Antrieb treiben Dieselmotoren Stromgeneratoren an. Der erzeugte Strom wird für den elektrischen Fahrantrieb bereitgestellt. Die Leistung der Motoren und Fahrantriebe ist dabei auf das Streckenprofil, die Streckenauslastung und den eng getakteten Fahrplan abgestimmt.

Erbringen die Motoren nicht mehr die erforderliche Leistung, können die Fahrzeuge die Fahrt oft zwar noch fortsetzen, aber nicht mehr den Fahrplan einhalten. Wenn zeitgleich eine weitere Lokomotive ausfällt oder die Reparatur länger dauert, verursacht dies hohe Kosten. Bisweilen ist der gesamte Bahnbetrieb im jeweiligen Schienennetz eingeschränkt. An den Fahrzeugen und Motoren der betroffenen Fahrzeugflotte traten diese Ereignisse häufiger auf. Ein direkter Zusammenhang zwischen den einzelnen Schadensereignissen war für den Kunden anfänglich nicht ersichtlich. Ob materielle, konstruktive oder ganz andere Mängel zugrunde lagen, bedurfte der Expertise der Schadensanalysten.

Vielfältige Schadensbilder erschweren Suche

Die Schäden waren über einen längeren Zeitraum an den Motoren festgestellt worden, allerdings an verschiedenen Komponenten und Systemen. Der Kunde ging deshalb von mehreren Ursachen aus und betraute die Sachverständigen mit einer integralen Schadensanalyse. Dabei standen der Verbrennungsprozess und der motorische Betrieb im Fokus. Die Motoren eines renommierten Herstellers hatten sich in anderen Anwendungen grundsätzlich bewährt. Daher konzentrierten sich die Ermittlungen auf die spezifischen Betriebsbedingungen im Bahnverkehr sowie die Motorwartung und -instandhaltung.

Interdisziplinäre Expertise gefragt

Zunächst bildete TÜV SÜD abteilungs- und unternehmensübergreifend ein Projektteam mit Sachverständigen der TÜV SÜD Industrie Service GmbH und TÜV SÜD Rail GmbH. Es umfasste diverse Fachgebiete, unter anderem aus Material- und Werkstoffkunde, Konstruktion und Maschinenbau, Wartung und Instandhaltung von Verbrennungskraftmaschinen, Bahntechnik und Qualitätssicherung. Als Nächstes galt es, sich einen Eindruck zu verschaffen über die Schadensbilder, die Zuständigkeiten für alle wesentlichen Prozesse sowie über die betrieblichen Strukturen und Bedingungen. Um die Ursache für die Probleme zu ermitteln und die Instandhaltungs- und Wartungsprozesse zu bewerten, mussten sie

  • diverse Dokumente und Daten auswerten, u. a. die Aufzeichnungen aus dem Betrieb der Motoren, chemische Öl- und Kühlmittelanalysen, Tankdaten und Mängellisten der Motoren,
  • für ein Lastprofil Messfahrten auf der Bahnstrecke durchführen, auf der die Lokomotiven hauptsächlich im Einsatz sind,
  • einen in Einzelteile demontierten Motor begutachten,
  • Wartung und Instandhaltung prüfen, inkl. der Arbeitsprozesse, Dokumentation und Qualifikation der Fachkräfte,
  • die spezifischen Bedingungen mit den Betriebserfahrungen anderer Kunden vergleichen, die Lokomotiven gleicher Baureihe in ihrem Streckennetz einsetzen.
Ein undichter Turbolader in einer dieselelektrisch angetriebenen Lok.
Ein undichter Turbolader in einer dieselelektrisch angetriebenen Lok. (Bild: TÜV Süd)

Strecke und Fahrplan: Härtetest für die Motoren

Die Untersuchung ergab, dass die Konstruktion des Motors grundsätzlich robust genug für den Betrieb ist. Die meisten Komponenten zeigten kaum Auffälligkeiten. Einige wenige Motorkomponenten waren hingegen häufiger defekt. Ursächlich waren die spezifischen Betriebsbedingungen auf der Strecke: Viele Lastzyklen mit großen Leerlaufanteilen während Wartezeiten in Bahnhöfen einerseits und rasche Beschleunigungen unter Volllast andererseits. Für die daraus folgenden mechanischen und thermischen Lastwechsel waren diese Komponenten nicht geeignet.

Mit der Optimierung einiger Motorbauteile durch den Hersteller war es jedoch nicht getan. Eigentümer und Betreiber sind gefordert, die Voraussetzungen für eine höhere Verfügbarkeit der Motoren zu schaffen. Hier zeigten sich den Sachverständigen vielfältige Optimierungspotenziale, die der Betreiber recht schnell und kostengünstig umsetzen kann.

Dokumentation optimieren

An Betrieb, Wartung, Motorüberholung und Reparatur der Fahrzeuge waren fast zehn Firmen beteiligt. Bei derart komplexen Zuständigkeiten fiel es schwer, Abläufe nachzuvollziehen. Für jedes Schienenfahrzeug wurde z. B. ein separates Mängelblatt geführt. Doch nicht jeder Vermerk auf diesen Mängelblättern war einer spezifischen Komponente zuzuordnen. Zudem wurden Komponenten nicht einheitlich benannt. So wurden für die Dieselpartikelfilter auch Benennungen wie DPF, Rußfilter, Abgasfilter oder Dieselfilter verwendet. Ein systematisches Fehlermanagement war so nicht möglich, was die Ursachenanalyse erheblich erschwerte.

Deshalb empfahlen die Sachverständigen von TÜV SÜD, die Dokumentation in allen Unternehmen zu vereinheitlichen. Das befähigt Techniker und Mechaniker, systematisch auf Fehlersuche zu gehen, Ursachen frühzeitig zu erkennen und ggf. Prüf- und Wartungsintervalle für die Motoren anzupassen. Auch sind sie so in der Lage, Empfehlungen für eine schonende Betriebsweise zu geben oder Komponenten, die mit den Betriebsbedingungen nicht zurechtkommen, rechtzeitig oder durch robustere Bauteile zu ersetzen. Mit der integralen Schadensanalyse ermittelten die Experten die defekten Komponenten und zeigten dem Kunden Handlungsfelder zur Verbesserung der betrieblichen Abläufe auf.

Die Autoren

TÜV SÜD Industrie Service GmbH
Westendstraße 199
80686 München

http://www.tuvsud.com/schadensanalyse

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