Ein Dieselmotor wie dieser ist eines der Bauteile, die bei Liebherr in Ettlingen am häufigsten fürs Remanufacturing angeliefert werden.

Ein Dieselmotor wie dieser ist eines der Bauteile, die bei Liebherr in Ettlingen am häufigsten fürs Remanufacturing angeliefert werden. - (Bild: Weinzierl)

Remanufacturing nennt man die Aufbereitung gebrauchter Bauteile oder Geräte – im besten Fall bis zum neuwertigen Zustand oder zur aktuellen technischen Ausbaustufe. Das Thema ist angesichts der aktuellen Klimaziele und der steigenden Rohstoffpreise akuter denn je. Doch hat die ‚Refabrikation‘ auch ganz handfeste Ziele: Die Schonung des Geldbeutels des Kunden sowie eine schnellere und längerfristig gesicherte Versorgung mit den passenden Ersatzteilen. Bei Liebherr in Ettlingen beschäftigt man sich schon seit 2004 mit der Thematik ‚Reman‘ – entsprechend groß ist die Erfahrung der rund 160 Beschäftigten. Wir haben nachgefragt, welche Bauteile aufgearbeitet werden, welche Abläufe dahinterstehen und wie die Kollegen arbeiten.

CO2-Reduktion und Rohstoffeinsparung gehen Hand in Hand: "Durch die Nutzung von aufgearbeiteten Komponenten leisten wir gemeinsam mit unseren Kunden natürlich einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz und der Ressourcenschonung. Die CO2-Reduktionen und die Rohstoffeinsparung müssen sich aber auch in bessere Wirtschaftlichkeit ummünzen." Für Philipp Lenz, Leiter des Geschäftsbereiches Reman bei Liebherr in Ettlingen, ist klar, dass das Unternehmen nur dann langfristig erfolgreich sein kann, wenn verantwortungsvolles und zukunftsorientiertes Handeln jederzeit von Nachhaltigkeit geprägt ist.

Dass das Unternehmen damit auch den Nerv der Zeit trifft, ist ein positiver Nebeneffekt. Für Liebherr bedeutet Remanufacturing die Wiederaufarbeitung gebrauchter Komponenten und Einzelteile zu neuwertigen Teilen. Hierbei liegt der Fokus auf größtmöglichen Wiederverwendungsgraden massereicher Baugruppen, was zu erheblichen Materialeinsparungen führt. Verschleißteile wie Lager oder Dichtungen werden aus Qualitätsgründen von einer Wiederverwendung ausgenommen.

Aufarbeitung von 1.000 Dieselmotoren pro Jahr

Natürlich wirkt sich die Arbeit in Ettlingen auch ökologisch aus: "Durch Untersuchungen – auch unter Einbeziehung externer Experten – konnten wir herausfinden, dass sich bei der Wiederverwendung von Kurbelgehäuse und Kurbelwelle eines Dieselmotors über 60 Prozent CO2-Ausstoß verglichen zur Neuteilfertigung einsparen lassen", erklärt Christoph Ochs, zuständig für das Marketing des Geschäftsbereiches Reman. "Unter Berücksichtigung einer gewissen Ausschussquote liegt die CO2-Einsparung immer noch bei über 50 Prozent, zudem ergibt sich eine reine Werkstoffersparnis von 75 bis 78 Prozent."

Das Remanufacturing von Dieselmotoren aus den Liebherr-Maschinen gehört zum Kerngeschäft in Ettlingen. Rund 1.000 davon werden pro Jahr aufbereitet. Dazu kommen Gasmotoren, Fahr- und Schwenkantriebe, Verteilergetriebe, Hydraulikkomponenten und Seilwinden. "Bei einer Gesamtbetrachtung der Stückzahlen haben wir Hydraulikmotoren und -pumpen am häufigsten aufbereitet: Seit 2004 waren es über 20.000 Einheiten. In den letzten Jahren sind die jährlichen Stückzahlen vor allem bei den Verbrennungsmotoren deutlich gestiegen", sagt Ochs.

Die Komponenten, die in Ettlingen bearbeitet werden, stammen primär aus der DACH- plus Frankreich-Region, aber Liebherr in Ettlingen fungiert als Kompetenzcenter weltweit. "Früher wurden viele kleinere Reparaturen und Aufarbeitungen in den Werkstätten der Liebherr-Werke, die unter anderem Bagger fertigen, durchgeführt", erklärt Lenz. "Allerdings bestand schon länger der Plan, das auf eine höhere Stufe zu stellen. So fiel die Entscheidung, das ganze Remanufacturing hier in Ettlingen zu zentralisieren und so Synergieeffekte zu nutzen." Zu diesen Effekten zählt unter anderem, dass Erkenntnisse, die im Reman-Bereich beispielsweise für die Lebensdauer und Servicefreundlichkeit gewonnen werden, auch in die Serienproduktion einfließen.

Drei Säulen im Reman-Geschäft

Das Geschäft mit aufbereiteten Komponenten hat bei Liebherr drei Säulen: Tauschkomponenten, Generalüberholung und Reparatur. "Der Austausch geht für den Kunden am schnellsten und wird am häufigsten nachgefragt", erklärt Lenz. "Der Liebherr-Händler vor Ort zieht die Komponente ein und verkauft dem Kunden eine überholte, die er im Normalfall am nächsten Tag in der Hand hat." Das ausgebaute Teil geht dann nach Ettlingen in den Aufarbeitungsprozess.

Bei einer Generalüberholung dagegen wird die Komponente des Kunden aufgearbeitet und er bekommt seine eigene, ursprüngliche Komponente nach den Arbeiten wieder. "Das ist dann natürlich eine etwas längerfristige Angelegenheit für den Kunden", sagt Lenz.

Bei einer Reparatur wird das Bauteil des Kunden so schnell wie möglich wieder instandgesetzt. "In der Regel geht das schnell, es hängt jedoch vom individuellen Schadensbild und der Komponente ab", so Lenz. Der Zeitfaktor, der bei den meisten Kunden aus dem Baubereich eine wichtige Rolle spielt, ist meist der entscheidende.

Über mangelnde Aufträge können die Ettlinger nicht klagen. Entsprechend voll ist schon der Annahmebereich, in dem die Arbeiten beginnen. Dabei können nicht alle angelieferten Komponenten aufbereitet werden. "Es gibt Grenzen", erklärt Ochs. "Zum Beispiel bei Verformungen oder Rissen. Das plakativste Beispiel wäre ein gerissenes Kurbelgehäuse. Dieses kommt für eine Wiederverwendung nicht infrage, sodass wir hier teilweise Neuteile einsetzen müssen. Auch Brandschäden an Maschinen sind ein schwieriges Thema, da man nie genau weiß, welchen Temperaturen die einzelnen Komponenten ausgesetzt waren."

Schritt für Schritt zur Aufarbeitung

In der Regel aber beginnt jeder Aufarbeitungsprozess mit einer Grundreinigung der gebrauchten Komponente. "Anschließend erfolgt die komplette Demontage bis auf Einzelteilebene, wobei hier eine Sichtprüfung erfolgt und Verschleißteile sowie offensichtlich nicht verwertbare Teile aussortiert und recycelt werden", sagt Tobias Kledt, Projektingenieur bei Liebherr in Ettlingen.

Die ausgebauten wiederverwertbaren Teile werden in eigenen Reinigungsanlagen entrostet, entlackt und gereinigt. Anschließend werden sie vermessen und bei Bedarf mit Bohr-, Schleif- oder Poliergeräten nachgearbeitet. Außerdem steht in Ettlingen unter anderem ein Fünf-Achs-Bearbeitungszentrum zur Verfügung, auf dem sowohl nachgearbeitet, als auch bei Bedarf Bauteile bis hin zu kompletten Kurbelgehäusen neu produziert werden können.

"Dann werden die Teile entweder für eine spätere Verwendung eingelagert oder, sofern es sich um eine kundeneigene Komponente handelt, gleich in der Montage verwendet." Nach der Montage werden alle Komponenten nach OEM-Standard geprüft. Dazu betreibt Liebherr Prüfstände für Dieselmotoren und Hydraulikkomponenten, die baugleich zu denen der Serienfertigung sind. Auch eine eigene Lackieranlage gibt es.

Doch ab und zu ist es auch für die erfahrenen Werker nicht möglich, jedes Teil einer Komponente sofort und zweifelsfrei zu identifizieren. "Dabei hilft uns der ‚Schlaue Klaus‘", erklärt Kledt. "Das ist eine Anlage zur optischen Bauteilidentifikation. Denn manchmal können wir bei demontierten Bauteilen auf den ersten Blick nicht sagen, welche genaue Version vorliegt. Zum Beispiel könnte das Teil nachträglich ausgetauscht worden sein und entspricht somit einem anderen technischen Stand, als der Rest der Komponente."

Video: Das Reman-Programm von Liebherr (engl.)

Im Rahmen des Liebherr-Reman-Programms werden gebrauchte Komponenten einer kompletten Demontage unterzogen. Anschließend werden die einzelnen wiederverwendbaren Teile entlackt, gereinigt, begutachtet und aufbereitet. Nach Abschluss des Zusammenbaus entspricht die Qualität des wiederaufbereiteten Bauteils der eines Neuteils. - Inhalt: Liebherr

Verwerten, was der Markt zurückwirft

Viele der aufbereiteten Einzelteile, die zum Teil auch von Spezialisten in der Umgebung bearbeitet werden, werden in Ettlingen für den Einsatz im Remanufacturing vorgehalten, besonders, wenn sie abgekündigt oder nur schwer zu beschaffen sind. "Außerdem gibt es auch dafür einen Markt", sagt Lenz. "Dort nutzen Kunden gerne eine zum Beispiel aufgearbeitete Wasserpumpe oder einen Injektor zu einem günstigeren Preis. In der Summe muss es das Ziel sein, dass man außer Verschleißteilen alles wiederverwertet, was der Markt zurückwirft."

Die Aufbereitung gebrauchter Bauteile ist eine komplexe Aufgabe: "Da wir uns im After-Sales-Umfeld befinden, liegen wesentliche Herausforderungen in der Kurzfristigkeit und auch der Vielfalt der Varianten der Komponenten", sagt Ochs. "Wir arbeiten Komponenten für nahezu die komplette Bandbreite von Baumaschinen, Mobilkranen, Umschlaggeräten, Mining- und maritimem Equipment der Firmengruppe Liebherr auf."

Genauso vielfältig wie die Maschinen sind auch die darin verbauten Komponenten. "Ebenso müssen wir neben längerfristig eingetakteten Aufträgen auch kurzfristige und daher schwer planbare Generalüberholungen und Reparaturen durchführen und bei Bedarf neu priorisieren. Das erfordert höchste Flexibilität bei allen Beteiligten: von der Produktionsplanung über die Logistik und Montage bis zum Lackierer."

Mehr als nur Komponententausch

Für eine solche Aufgabe das nötige Personal zu bekommen, ist durchaus auch kein einfacher Job: "Im Prinzip brauchen wir Leute, die unsere Liebherr-Komponenten gut kennen und die um die Ecke denken können", sagt Philipp Lenz. "Da ist natürlich entsprechende Erfahrung im Geschäftsfeld oder in unserer Firmengruppe sehr hilfreich." In Ettlingen kommen die wenigsten Mitarbeiter ursprünglich aus dem Aufarbeitungsbusiness.

"Im Motorenbereich haben wir Kfz- oder Nutzfahrzeugmechaniker. Die beherrschen natürlich das Handwerk, aber sie müssen, wenn sie zu uns kommen, weiterdenken und das Aufarbeiten erlernen", erklärt Lenz. "Bei uns ist die Arbeit vielschichtiger als in einer normalen Werkstatt, und der reine Tausch von defekten Komponenten steht nicht so im Fokus. Im Hydraulikbereich haben wir viele gelernte Industriemechaniker, die wir dann spezialisieren."

Lenz braucht außerdem Leute mit Warum Qualifizierung Not tut">übergreifenden Qualifikationen, "denn je mehr Komponenten ich jetzt hier im Hause habe, desto mehr brauche ich die entsprechende Flexibilität, denn ich demontiere, ich montiere, ich reinige, ich prüfe, ich inspiziere. Und das mache ich für eine Vielzahl von Bauteilen. Wenn man das dogmatisch macht, hat man keine Chance. Man muss einfach richtig Lust darauf haben, nichts wegzuschmeißen, Sachen wiederzuverwenden und Lösungen zu finden."

Mehr als nur ein Job

Die Fach- oder Führungskräfte mit den notwendigen Qualifikationen zu gewinnen sei entsprechend nicht leicht, sagt Lenz. "Wir konkurrieren mit anderen Unternehmen um die gleichen Leute. Hier in der Gegend ist es eine Herausforderung, geeignetes Personal zu finden und zu binden. Bei uns sind Karlsruhe, Stuttgart und die Rhein-Neckar-Region um die Ecke. Dort gibt es viele Mitbewerber um die Arbeitskräfte. Dazu kommt, dass Remanufacturing vielleicht auf den ersten Blick nicht attraktiv zu sein scheint. Doch es handelt sich um einen äußerst vielfältigen Aufgabenbereich, der viel technisches Know-how erfordert. Es ist immer wieder spannend, etwas Altes aufzuwerten, weiterzuentwickeln und damit auch noch der Umwelt etwas Gutes zu tun – ein Aspekt, der die Gesellschaft heute stark bewegt."

Umbau

Wie in vielen Produktionshallen ist auch bei Liebherr in Ettlingen über die Jahre vieles gewachsen. Dabei wurden die diversen Remanufacturing-Stationen wie Demontage, Reinigung, Aufbereitung, Montage und Lagerung der verschiedenen Komponenten nicht optimal auf der verfügbaren Fläche verteilt. Darum investiert das Unternehmen in den kommenden neun Monaten nun nochmal kräftig: Alle Stationen werden in der logischen Reihenfolge angeordnet, um die Abläufe zu optimieren. Außerdem wird der Reinigungsbereich umgebaut und aufgerüstet.

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