Die neue Maschinenrichtlinie zielt darauf ab, die Sicherheit von Maschinen, zugehörigen Produkten und unvollständigen Maschinen zu erhöhen und den europäischen Binnenmarkt zu stärken. Insbesondere reagiert die MVO auf den digitalen technologischen Fortschritt. Tüv Süd informiert über die neuen Regeln, die mehr Unternehmen und Wirtschaftsakteure als bisher betreffen.
Die MVO löst zu Beginn des Jahres 2027 die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG (MaschRL) ab, die in vielen Bereichen nicht mehr in vollem Maße dem Stand der Technik entspricht. Vorgaben und Anforderungen an die Sicherheit von Maschinen werden in der MVO weiterentwickelt und präzisiert. Im Wesentlichen deckt das bereits in Mitte 2023 verabschiedete EU-Recht die Risiken ab, die im Zusammenhang mit digitalen Technologien entstanden sind. Dementsprechend erfolgt unter anderem eine Neubewertung von Maschinen mit erhöhtem Risikopotenzial.
Katalog für Maschinen mit erhöhtem Risikopotenzial
Von Maschinen mit erhöhtem Risikopotenzial wird gesprochen, wenn von ihnen eine erhöhte Gefahr für die menschliche Sicherheit und Gesundheit ausgehen kann. Die MVO verschärft die bisher geltenden Vorschriften und zählt betreffende Maschinen im Anhang I auf. Die Teile A und B stellen dabei unterschiedlich strenge Anforderungen an den Konformitätsnachweis.
Während für Maschinen mit höherem Risikopotenzial in Teil A ein Konformitätsbewertungsverfahren von einer unabhängigen benannten Stelle und eine umfassende technische Dokumentation verpflichtend sind, sind die Vorschriften für die Maschinen in Teil B weniger streng und umfangreich. Hier können Hersteller die Konformitätserklärung selbst erstellen. Unverändert bleibt jedoch die Anforderung, die notwendige Dokumentation zu erstellen.
Aber Achtung: Unternehmen sollten regelmäßig einen Blick in Anhang I werfen, da sich dieser ändern kann. Die EU-Kommission überprüft den Katalog regelmäßig, je nach technischen Entwicklungen oder neuen Erkenntnissen etwa zu Risiken und Unfallgefahren. Daraufhin können rechtsverbindliche Änderungen vorgenommen werden. Erstmalig ist Mitte 2026 mit einer Veröffentlichung eines aktualisierten Anhangs I zur MVO zu rechnen.
Mit der Konformitätserklärung bestätigen Hersteller, dass ihr Produkt dem EU-Standard entspricht – dies ist Voraussetzung für das anschließende Anbringen des CE-Kennzeichens, das lesbar und dauerhaft an der Maschine angebracht werden muss. Noch bis zum 19. Januar 2027 hat die Konformitätserklärung gemäß der aktuellen Maschinenrichtlinie zu erfolgen, ab dem Stichtag 20. Januar 2027 uneingeschränkt nach der MVO.
„Wesentliche Veränderung“ genau definiert
Mehr Klarheit und europaweite Einheitlichkeit schafft die MVO mit dem neu eingeführten Begriff „Wesentliche Veränderung“. Der Begriff präzisiert, unter welchen Umständen für eine modifizierte Maschine eine neue Konformitätsbewertung erforderlich wird.
Bei wesentlichen Veränderungen geht es um Umgestaltungen an einer Maschine oder einem dazugehörigen Produkt, die ursprünglich nicht vom Hersteller vorgesehen waren und ein bestehendes Risiko erhöhen oder ein neues Risiko erzeugen. Das kann der Einbau zusätzlicher Komponenten oder das Aufspielen einer neuen Software sein. Für Käufer und Betreiber bedeutet das, dass sie nach den Regelungen der neuen MVO durchaus selbst zum Hersteller werden können. Und damit überträgt sich auch die Nachweispflicht der Konformität auf sie.
Chancen und Risiken der Digitalisierung
Längst überfällig ist die Ablösung der MaschRL durch die MVO, wenn es um die enormen Fortschritte und Entwicklungen infolge der Digitalisierung geht. Digitale Technologien und der Einsatz von KI können Sicherheit, Effizienz und Qualität von Maschinen verbessern – bergen aber auch neue Risiken. Deshalb formuliert die MVO Vorgaben für die Sicherheit von vernetzten Geräten, Werkzeugen, Maschinen und Komponenten, die im europäischen Binnenmarkt gelten.
Das betrifft auch die Cybersicherheit beziehungsweise den Schutz vor Cyberkriminalität. Die Maschinenhersteller sind für die sogenannte Korrumpierungssicherheit verantwortlich. Das heißt: Sie haben eine Reihe von Vorkehrungen, zum Beispiel gegen Hackerangriffe, zu treffen. Konkrete Anforderungen werden in den nächsten Jahren in Normen (zum Beispiel Typ B- beziehungsweise Typ C-Normen) beschrieben werden.
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Möglicherweise besonders attraktiv für Hackerangriffe sind Maschinen oder Bauteile mit „autonomem Verhalten“, die in bestimmten Grenzen ohne menschliches Zutun selbstständig handeln. Dabei gilt: Die Hersteller müssen zusätzlich einkalkulieren, dass ihre hochautomatisierten Produkte im laufenden Betrieb dazulernen und sich selbstständig weiterentwickeln und dies im Rahmen ihrer Risikobeurteilung entsprechend berücksichtigen.
Steuerungssysteme haben laut MVO zu gewährleisten, dass die Maschinen nicht über die definierten Aufgaben und Bewegungsbereiche hinaus handeln. Das Miteinander von Mensch und Maschine muss vorhersehbar und sicher sein. Fällt die digitale Kommunikation aus, darf es zu keiner gefährlichen Situation kommen.
Dokumente online oder auf Papier?
Laut MVO ist es gestattet, technische Unterlagen, Konformitätserklärungen oder Betriebs- & Montageanleitungen online bereitzustellen. Dafür gibt es jedoch zahlreiche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Für die Nutzer (Kunden) muss zum Beispiel klar ersichtlich sein, wie sie die Dokumente digital abrufen können. Konformitätserklärungen sowie Betriebs- & Montageanleitungen müssen für die gesamte Lebenszeit eines Produkts, mindestens aber zehn Jahre, zuverlässig zur Verfügung stehen. Und die Nutzer (Kunden) sollten in der Lage sein, die gewünschten Informationen auszudrucken, herunterzuladen und zu speichern. So können sie jederzeit darauf zugreifen, sollte es etwa zu Strom- und Netzausfällen kommen. Wünscht der Nutzer (Kunde) dies, muss der Hersteller die Betriebsanleitung binnen eines Monats in Papierform kostenlos zur Verfügung stellen. Verpflichtend ist die Papierform für Sicherheitsinformationen bei nichtprofessionellen Nutzern.
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Kreis der Betroffenen erweitert
Die MVO erweitert zudem den Kreis der Betroffenen: Sie richtet sich an alle Wirtschaftsakteure, die Maschinen und dazugehörige Produkte in die EU einführen, (innerhalb der EU) produzieren, verändern oder vertreiben. Gemeint sind neben den Herstellern unter anderem Händler – explizit auch Gebrauchtmaschinenhändler, Importeure sowie Personen oder Organisationen, die bestimmte Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit Maschinen übernehmen. Die neue EU-Verordnung umfasst nicht nur Maschinen, sondern auch unvollständige Maschinen und dazugehörige Produkte wie Sicherheitsbauteile, austauschbare Einrichtungen oder Lastaufnahmemittel.
Wichtige Informationen zur neuen EU-Maschinenverordnung:
- Die neue EU-Maschinenverordnung 2023/1230 (MVO) wurde am 29. Juni 2023 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.
- Nach einer Übergangszeit von 42 Monaten löst sie die aktuelle Maschinenrichtlinie (MaschRL) ab.
- Als EU-Verordnung hat sie direkte Gesetzeskraft und muss nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Sie steht damit über nationalen Bestimmungen, die eventuell davon abweichen.
- Ziel der MVO ist das einheitliche Auslegen und Umsetzen von Anforderungen in allen Ländern der Europäischen Union. Sie befolgt die Vorgaben des New Legislative Framework NLF, das Standards vereinheitlichen, den Binnenmarkt für Waren verbessern und die Qualität von Konformitätsbewertungen steigern will.
Hilfe und kompakte Information
Zwar sind in der MVO keine einschneidenden Änderungen enthalten, jedoch wichtige Details, die den technischen und rechtlichen Stand berücksichtigen. Die Expertinnen und Experten von Tüv Süd unterstützen beim Einarbeiten und Umstellen auf die MVO, insbesondere bei Fragen zum Konformitätsnachweis.
Zudem bietet die Tüv Süd Akademie auch Schulungen zum Thema an. Die Referentinnen und Referenten informieren kompakt und an der Praxis orientiert über Themen wie Risikobeurteilung, technische Dokumentation, Konformitätsbewertung oder digitale Betriebsanleitung. Zielgruppe sind unter anderem Konstrukteure, Entwickler, Geschäftsführer, Importeure, Vertriebler, technische Redakteure oder Verantwortliche für Maschinensicherheit.