Das Werk von HeidelbergCement in Burglengenfeld hat eine beeindruckende Entwicklung hinter sich: Innerhalb der letzten 100 Jahre hat es sich von einer Fabrik, in der jährlich rund 100.000 Tonnen Zement gefertigt wurden, zu einem Werk entwickelt, welches jetzt dank modernsten Technologien jährlich über eine Millionen Tonnen Zement produziert.
Seit 1967 wird das Unternehmen dabei von der Wisag Industrie Service Gruppe begleitet. Seit 2016 war es Hauptaufgabe des Dienstleisters, die komplette Elektrotechnik für die Modernisierung des Werks zu verantworten – vor kurzem wurde das 100 Millionen Euro-Projekt fertigestellt.
Elektroinstallation in 'Echt Groß'
Zementherstellung ist rohstoff- und energieintensiv. Nachhaltiges Wirtschaften ist daher die Basis für den langfristigen Unternehmenserfolg. Dazu zählen für HeidelbergCement neben der Sicherung von Rohstoffreserven, der Entwicklung neuer Produkte und dem Einsatz alternativer Roh- und Brennstoffe auch effiziente und innovative Produktionsprozesse. Um diese zu gewährleisten, wurde das Zementwerk in Burglengenfeld in einer Bauzeit von rund zwei Jahren großflächig modernisiert.
Die Modernisierung und Sanierung umfasste neben dem Bau eines neuen Wärmetauscherturms zwei neue Rohmühlen, einen modernen Gewebefilter für die Abgasentstaubung, eine hocheffiziente SNCR-Anlage zur Stickoxid-Reduktion sowie einen neuen Klinkerkühler – und macht das Werk so zu einer der modernsten Klinkerproduktionsanlagen Deutschlands.
Elektrische Anlagen von Vernetzung bis Beleuchtung
„Wir haben die Modernisierung begleitet und waren für die komplette Elektrotechnik verantwortlich“, schildert Andreas Ingendorf, Projektleiter und Geschäftsführer der Wisag Elektrotechnik Bayern. „Unsere Aufgabe war also nicht nur die Errichtung der Hauptschaltanlagen zur Energieversorgung, sondern auch das Installieren der Kabeltrassen und die Verkabelung jeder Maschine und Anlage bis hin zur Temperaturmeldung einschließlich der Sicherheitssysteme wie Not-Aus-Schalter – also alles von 20.000 Volt bis zum 'Millivoltsystem''".
Elektro en gros: 20-Kilovolt-Anlage eingerichtet
Nachdem die Rohbauarbeiten abgeschlossen waren, ging es für den Industriedienstleister im Sommer 2017 richtig los: Zunächst mussten zwei neue Versorgungsringe gelegt werden, um die Stromversorgung sicherzustellen. Für die Verteilung der Mittelspannung errichtete das Unternehmen eine 20 kV-Mittelspannungsschaltanlage.
„Durch den Um- und Neubau wurde die Energie in anderen Bereichen des Werks benötigt als vor der Modernisierung. Dementsprechend mussten wir die Stromversorgung im kompletten Werk mit Hilfe der Mittelspannungstechnik, der Niederspannungstechnik und Transformatoren neu gestalten“, sagt Ingendorf.
Viele elektrische Anlagen in kurzer Zeit einrichten
Nach dem Umbau der Stromversorgung war es Aufgabe des Dienstleistungsunternehmens, die komplette Installation der neu errichteten Anlagen einschließlich der Erdung termingerecht auszuführen. „In Anbetracht des verhältnismäßig kleinen Zeitfensters, in dem wir unsere Arbeiten erledigen mussten, wohl die größte Herausforderung“, so Ingendorf.
Zunächst lief das Zementwerk weiter, während parallel die neue Anlagentechnik aufgebaut wurde. Am 22. Dezember 2017 wurde das Zementwerk abgeschaltet, von nun an hatten alle Gewerke knapp drei Monate Zeit, ihre Arbeiten durchzuführen. Pünktlich zum 15. März musste das modernisierte Zementwerk den Produktionsprozess wieder aufnehmen. „Das war dann doch ziemlich viel zu tun – in ziemlich kurzer Zeit.“
Überwachungszentrum für elektrische Geräte
Insgesamt wurden in diesem Zeitraum etwa 500 Antriebe sowie 700 Messstellen und Überwachungsgeräte installiert und in Betrieb genommen. Zu Spitzenzeiten war der Industriedienstleister mit bis zu 60 Mitarbeitern vor Ort.
Damit das komplette Werk sowohl vom Leitstand aus kontrolliert und überwacht werden kann als auch der Produktionsbetrieb jederzeit reibungslos und effizient funktioniert, wird jedes Gerät, jeder Antrieb und jede Messstelle der Elektroinstallation auf ein visualisiertes Prozessleitsystem aufgespielt.
Das bedeutet, dass alle Maschinen und Antriebe automatisch aus diesem Leitsystem gesteuert werden. Zusätzlich hat jeder Antrieb eine Vorortsteuerstelle, die das Einschalten aus der Distanz verhindert. Das sogenannte Lototo-Verfahren setzt sich aus den Begriffen log out, tag out und try out zusammen und schützt den Mitarbeiter während Wartungsarbeiten vor Ort vor ungeplantem Betätigen der Sicherung oder Wiedereinschalten der Elektro-Anlagen.
Drehzahlgeregelte Motoren sorgen für Effizienz
Auch das Einrichten und Anschließen der drehzahlgeregelten Motoren stellte die Wisag vor eine große Herausforderung: „Die vier großen Motoren, die wir installiert haben, verfügen über eine Gesamtleistung von rund 10.000 Kilowatt. Jeder Motor wird von einem eigenen Transformator samt Umrichterschrank versorgt“, schildert Bauleiter Robert Reindl.
Bis zu drei Wochen benötigte das Team, um einen Motor einsatzbereit zu machen. „Zunächst mussten wir uns mit der Mechanik der Motoren beschäftigen, anschließend haben wir die Kabeltrassen gebaut und die 6.000 Volt-Kabel gezogen. Wir haben die Motoren angeschlossen, in Betrieb genommen und die Signale getestet", so Reindl
Statt die Leistung der Motoren über eine schließbare Klappe zu drosseln, ist die Drehzahl der modernen Motoren stufenlos regelbar. „Die neuen Motoren sind ein großer Schritt in Richtung ‚grüner Zement‘“, betont Reindl. „Die Drehzahl kann von zehn Prozent der Nennleistung bis zur vollen Leistung bedarfsgerecht aufs Prozent genau eingestellt werden – somit wird der Produktionsprozess deutlich effizienter als mit der bisherigen Anlagentechnik."
"Solche Technik bekommen wohl die wenigsten Elektriker zu Gesicht"
„In meinen 35 Berufsjahren habe ich nichts Vergleichbares gesehen“, sagt Bauleiter Reindl, der seit bald 25 Jahren für die Wisag bei HeidelbergCement im Einsatz ist. Die vier Transformatoren, die er unter anderem mit seinem Team im Werk installiert hat, sind bisher einmalig. „Solche Technik bekommen wohl die wenigsten Elektriker in ihrer Laufbahn zu Gesicht.“
Die meisten Transformatoren verfügen über drei Oberspannungs- und drei Unterspannungsabgriffe. Die hier verbauten haben jedoch drei Oberspannungs- und zwölf Unterspannungsabgriffe. Diese versorgen einen Frequenzumrichter, der wiederum einen Motor von 2,4 MW antreibt, welcher nur drei Anschlüsse für die Leistungsaufnahme besitzt. „Das war nicht ganz so trivial“, scherzt der Bauleiter.
Hohe Anforderungen an perfekte Planung
Über den Verlauf des Projekts zeigt sich Robert Reindl sehr zufrieden: „Das Projekt und die Rahmenbedingungen waren für alle Beteiligten eine große Herausforderung, die wir gemeinsam erfolgreich gemeistert haben."
Der neue Wärmetauscherturm habe eine Höhe von 104 Metern – neben der Höhentauglichkeit habe das Team insbesondere im Winter, als die Hauptaufgaben anstanden, extremen Wetterbedingungen trotzen müssen, da der Turm zu dieser Zeit noch zu allen Seiten offen war und gern auch mal bis zu -15 Grad herrschten. "Trotzdem durften zu keiner Zeit Fehler passieren, da jeder kleine Draht – falsch angeschlossen – schnell dafür sorgt, dass im wahrsten Sinne des Wortes der Ofen aus ist.“
Insbesondere die Zusammenarbeit aller Gewerke lief zur vollsten Zufriedenheit der Beteiligten: „Die Abstimmung untereinander war unglaublich wichtig“, schildert der Bauleiter. „Alle Gewerke haben sich jeden Tag zusammengesetzt und über Anstehendes gesprochen – insbesondere die Arbeitssicherheit war hier ein wichtiges Thema. Nur so konnten wir das Projekt ohne Zwischenfälle zu einem so erfolgreichen Abschluss bringen.“
Elektrisch auf dem neuesten Stand
„Die Modernisierung ist die größte Einzelinvestition, die HeidelbergCement in den letzten 40 Jahren im Werk getätigt hat“, verdeutlicht Werkleiter Henrik Wesseling. „Dass wir das Werk auf den neuesten Stand der Technik bringen, sichert langfristig Arbeitsplätze und den Standort Burglengenfeld. Die neue Technik ermöglicht eine enorme Verbesserung des Umwelt- und Klimaschutzes. So werden die spezifischen Emissionen des Werkes gesenkt und die Energieeffizienz wird insgesamt deutlich gesteigert.“
Nora Eckert, Wisag
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