Gerald Pilotto

Gerald Pilotto, Executive President Division Industrial Maintenance und Vorstandsmitglied des WVIS Wirtschaftsverband Industrieservice

Instandhaltung: Der Wirtschaftsverband Industrieservice (WVIS), dessen Vorstand Sie angehören, geht davon aus, dass mittelfristig der internationale Industrieservicemarkt deutlicher wächst als der in Deutschland. Sie teilen sicherlich diese Einschätzung, nicht zuletzt deshalb, weil Ihr Unternehmen die bislang regionale Struktur aufgegeben hat und nun in 14 länderübergreifenden Divisionen organisiert ist.
Gerald Pilotto: In der neuen Organisation sind wir für internationale Projekte in der Tat bestens aufgestellt. Die operative Verantwortung liegt jeweils bei der Divisionsleitung. In den einzelnen Divisionen sind Unternehmen mit gleich oder ähnlich gelagertem Leistungsspektrum länderübergreifend zusammen geführt. Die Kommunikationswege sind kurz und ermöglichen rasche Entscheidungen. Wir erreichen damit eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit und Flexibilität. Die Divisionen arbeiten länderübergreifend an der Weiterentwicklung des jeweiligen Leistungsportfolios. In der Division Bilfinger Industrial Maintenance, der ich vorstehe, befassen wir uns derzeit intensiv mit der Weiterentwicklung des Bilfinger Maintenance Concepts (BMC).
Was die Prognose des WVIS angeht, so stimmt sie mit unseren Erfahrungen überein. Zentraleuropa verzeichnet geringes Wachstum. Es werden nur wenige Anlagen neu gebaut, die bisher vorhandenen sind jedoch voll in Betrieb und haben einen hohen Bedarf an zukunftsorientierten Industrie-Serviceleistungen wie Revamp, Umbauten und
Deblottlenecking.

Instandhaltung: Welche Zielmärkte sind für das Geschäftsfeld Industrial von Bilfinger derzeit besonders interessant?
Gerald Pilotto: Da sind zunächst die USA zu nennen. Wir arbeiten dort an Standorten unserer europäischen Kunden, haben jedoch auch Kunden, für die wir nur in den USA tätig sind. Ähnliche Business-Modelle wie in Europa, ein hoher Anspruch an Sicherheit und Compliance sowie die insgesamt stabile Konjunktur und Industriefreundlichkeit sind gute Voraussetzungen, unsere Präsenz dort weiter auszubauen.
Aus der Reihe der BRIC-Staaten ist Indien für uns ein Fokusland. Die Prozessindustrie verzeichnet gute Wachstumsraten. Die Betreiber stellen an europäische Instandhaltungs-Partner hohe Anforderungen. Standardisierung der Leistungen und der Transfer von Know-how sind dabei zwei wesentliche Aspekte. Das BMC ist für diesen Markt ein ideales Tool. In 16 Modulen zeigt es das gesamte Leistungsspektrum von Bilfinger im Industrieservice auf. Gemeinsam mit dem Kunden wählen wir zielgerichtet die für ihn relevanten Methoden, Technologien und Leistungen aus. Attraktiv ist der indische Markt für uns auch deshalb, weil die Qualitätsanforderungen internationalen Normen entsprechen und eine große Zahl qualifizierter Fachkräfte, die zudem extrem mobil und flexibel sind, bereit steht.
Im Mittleren Osten sind unsere internationalen Kunden aus der Öl- und Gasindustrie an verschiedenen Standorten vertreten. Sie erwarten immer häufiger, dass wir sie als Service-Partner auch dort betreuen, und so sind wir nach dem Prinzip des „follow the customer“ in der Region bereits aktiv. Auch hier gilt es, hohe Qualitätsstandards zu erfüllen und eine exzellente Sicherheit-Performance zu gewährleisten. Die Erwartungen an deutsche Partner sind hoch. Die deutsche Gründlichkeit und das Ingenieurs- Know-how sowie die europäischen Standards genießen hohes Ansehen und bestimmen die Erwartungen der Kunden.

Instandhaltung: Welche Unterschiede weisen diese neuen Märkte im Vergleich zu D-A-CH auf? Welches sind die großen Herausforderungen?
Gerald Pilotto: Ein wichtiges Thema in vielen Märkten ist die Qualifikation der Mitarbeiter. Qualifiziertes Personal in ausreichender Zahl zur Verfügung zu haben, ist an den meisten Standorten eine große Herausforderung. In vielen Ländern ist sie jedoch deutlich größer als in Zentraleuropa. Es gibt keine mit unseren Standards vergleichbare Facharbeiter-Ausbildung, und wir müssen auch mit angelernten Kräften arbeiten. Auch die in der D-A-C-H-Region üblichen dualen Ausbildungswege sowie Universitäts-Studiengänge, die auf den Industrieservice ausgerichtet sind, werden dort nicht angeboten. In der Praxis bedeutet das für uns, dass die Qualitätssicherung engmaschiger sein muss als das sonst üblich ist.

Instandhaltung: Wird sich die Internationalisierung auch in Ihrer Ausstellung auf der MAINTAIN 2014 abbilden?
Gerald Pilotto: Die Maintain ist auf die hier genannten Zielländer nicht ausgerichtet. Industrial Maintenance ist ein lokales Geschäft, deshalb sind unsere Aktivitäten auf der Maintain darauf ausgerichtet, den Verantwortlichen an Standorten der D-A-C-H-Region und den CEE-Ländern Lösungen aufzuzeigen. Wir werden auf der Messe zeigen, was im Industrieservice state-of-the-art ist. Eine zentrale Rolle spielt der Kundennutzen.

Instandhaltung: Wo sehen Sie als Mitglied des WVIS-Vorstands ihre Aufgaben?
Gerald Pilotto: Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, den Industrieservice noch stärker als eigenständiges Tätigkeitsfeld zu positionieren. Ein wesentliches Kriterium ist dabei, die vielfältigen Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten für engagierten Fachkräfte und Ingenieure in der Öffentlichkeit bekannter zu machen.
In der Ausbildung selbst gilt es, Standards zu entwickeln und die Bildungseinrichtungen aktiv zu begleiten. Bilfinger arbeitet beispielsweise seit 2008 mit der Berufsakademie Sachsen zusammen und fördert den Studiengang Service Engineering an der Staatlichen Studienakademie Leipzig sowohl finanziell als auch fachlich. Mit den Fördermitteln unterstützt das Unternehmen u.a. die wissenschaftliche Arbeit in Labors, ermöglicht Lehraufträge und trägt zur Finanzierung einer Dozentenstelle bei. So können wir zum einen unser Know-how einfließen lassen und zur Qualitätssicherung in der Ausbildung beitragen. Auf der anderen Seite wird sichergestellt, dass die Nachwuchskräfte gut ausgebildet werden und mit den Anforderungen der Industrie schon im Studium vertraut gemacht werden.
Auf europäischer Ebene ist es notwendig, dass wir mit dem Thema Industrieservice bei den entsprechenden Gremien präsent sind und unser Know-how in die Beratungen zu neuen Gesetzen eingehen kann. Auch was die Zertifizierung angeht, sind wir in Brüssel aktiv und arbeiten zusammen mit anderen Verbänden, Unternehmen und Institutionen an einem Projekt zur einheitlichen Zertifizierung von Fach- und Führungskräften im Bereich Instandhaltung, der European Maintenance Management Certification oder kurz main-cert.
Mit der zunehmenden Bedeutung der Nachhaltigkeit in der Instandhaltung setzen wir uns ebenfalls auseinander. Mit Ressourcen schonend umzugehen oder energieeffiziente Lösungen zu finden, sind Anforderungen, mit denen unsere Mitgliedsfirmen täglich konfrontiert werden. Als Verband müssen wir sie dabei unterstützen und ggf. entsprechende Projekte ins Leben rufen. Mit den Leuchtturmprojekten veröffentlicht der Verband beispielsweise eine Sammlung von Praxisbeispielen seiner Mitgliedsfirmen, die Projekte zu Effizienz und Nachhaltigkeit im Industrieservice vorstellen und zum Wissenstransfer beitragen.

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