Eine Instandhalterin bei der Arbeit - sie muss alle für sie relevanten Vorschriften kennne und daraus ihre Pflichten ableiten. Das sogenannte Pflichtenmanagement kann dabei helfen.

Instandhalter müssen die für sie relevanten Vorschriften kennen und daraus bestimmte Pflichten ableiten. Das sogenannte Pflichtenmanagement kann dabei helfen. - (Bild: Aliaksei - stock.adobe.com)

Technische Führungskräfte haften für Versäumnisse bei den Betreiberpflichten. Der Instandhaltung kommt dabei eine besondere Rolle zu. Zum einen sind bestimmte Pflichten direkt von der Instandhaltung eigenverantwortlich umzusetzen, zum anderen wird erwartet, dass sie als Fachexperten zum Beispiel die Produktion hinsichtlich ihrer technischen Pflichten berät.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man in der Lage ist, alle Vorschriften zu erkennen und daraus die Pflichten ableiten kann, die für den technischen Betrieb der jeweiligen Anlagen relevant sind.

Das sogenannte "Pflichtenmanagement" scheint ein Instrument zu sein, das hier helfen kann. Was verbirgt sich dahinter, welche Anforderungen muss man an ein solches System stellen und was müssen Führungskräfte der Instandhaltung dabei beachten?

Grundelemente eines effizienten Pflichtenmanagements

Bei einem Pflichtenmanagement geht es darum möglichst alle Vorschriften, die für die zu betreuenden, technischen Anlage relevant sind zu erfassen, daraus die Pflichten abzuleiten und für die Erfüllung der Pflichten, durch geeignete Übertragung und Verfolgung, zu sorgen.

Im Zentrum des Pflichtenmanagements muss daher ein Regelwerkskatalog stehen, der es ermöglicht neben den gesetzlichen Vorschriften auch die technischen Regeln und die daraus abgeleiteten Pflichten zu erkennen, die für die zu betreuende Anlage relevant sind:

Beispiel für die Strukturierung von Pflichten mit einem verbundenen Rechtskataster
Beispiel für die Strukturierung von Pflichten mit einem verbundenen Rechtskataster - Grafik: Kuno Karsten

Ein solches Rechtskataster muss dabei mindestens folgende Anforderungen erfüllen:

  • Zugriff auf alle Vorschriften, die für die betreffende Anlage relevant sind. Typischer Weise sind dies Regelwerke zur Arbeits- und Anlagensicherheit, Umweltschutz, Energie bis hin zu technischen Regeln.
  • Darstellung von Pflichtentexten als Ergänzung zu den Volltexten. Diese Pflichtentexte enthalten in Kurzform, welche konkreten, technischen Pflichten sich aus der jeweiligen Vorschrift ergeben. Betrieblich bleiben ausgeblendet. Dadurch sorgen die Pflichtentexte für Praktikabilität und Zeitersparnis bei der Ermittlung der Pflichten.
  • Bündelung von Pflichten, um gleichartige Pflichten zusammenzufassen und mit gemeinsamen Mitteln effizient erfüllen zu können.
  • Zuordnung von Pflichten zu Arbeitsmitteln, Tätigkeiten und Verantwortungsbereichen, um so sichtbar zu machen, wer welche Pflichten für eine bestimmte Maschine oder betriebliche Aufgabe zu erfüllen hat. Im Idealfall kann eine in einem Instandhaltungs-Tool bereits vorhandene Anlagenstruktur verwendet werden.
  • Verknüpfung mit einem Aktualisierungsdienst, der Änderungen transparent macht und obige Pflichten automatisch aktualisiert.

Gefährdungsbeurteilungen und die Rolle der Instandhaltung

Viele glauben, dass die Pflichten allein durch Vorschriften bestimmt sind. Das ist falsch. Welche Pflichten in welcher Ausprägung genau umzusetzen sind, ergibt sich immer erst aus der Gefährdungsbeurteilung. Daher ist die Gefährdungsbeurteilung die erste zentrale Pflicht aus der sich letztlich alle anderen ableiten. So geben es das Arbeitsschutzgesetz und die Betriebssicherheitsverordnung vor

Der Instandhalter ist als technische Fachkraft der Garant für die inhaltliche Qualität der Gefährdungsbeurteilung. Er ist hinsichtlich der Instandhaltungstätigkeiten und der dabei verwendeten Werkzeuge selbst dafür verantwortlich, dass die zugehörigen Gefährdungsbeurteilungen erstellt werden und aktuell sind.

Für Gefährdungsbeurteilungen der Produktionsanlagen ist er aber auch insofern verantwortlich, dass er der Produktion die notwendigen Fachinformationen für die Erstellung ihrer Gefährdungsbeurteilungen liefern muss. Dazu gehört auch die Bewertung der rechtlichen Vorgaben und die Ableitung von Schutzmaßnahmen.

Diese Funktionen braucht ein Gefährdungsbeurteilungssystem

Um großen Aufwand bei der Recherche der Vorgaben zu vermeiden, sollte ein System zur Erstellung und Dokumentation von Gefährdungsbeurteilungen daher eine Verbindung mit dem Rechtskataster haben und folgende Funktionen umfassen:

  • Aufzeigen der Pflichten aus dem Rechtskataster, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu betrachten sind
  • Erfassung der Gefährdungen an Hand eines hinterlegten Gefährdungskatalogs
  • Erfassung der betrieblichen Situation (insbesondere Abweichungen von Ausgangslagen in den Regelwerken)
  • Bewertung der Gefährdungen, beispielsweise durch eine Risikobewertung (ggf. mit Importmöglichkeiten von vorhandenen SIL-Bewertungen – um Doppelarbeiten zu vermeiden)
  • Festlegung von Schutzmaßnahmen und Verfolgung ihrer Umsetzung
  • Festlegung der wiederkehrenden Prüfungen (Art und Umfang) als Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung
  • Automatisches Generieren von Betriebsanweisungen aus den ermittelten Gefahren und Schutzanweisungen in der Gefährdungsbeurteilung
  • Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen

Diese Funktionalitäten sind außerdem erforderlich um die Dokumentationsanforderungen aus § 3 (8) BetrSichV zu erfüllen.

In der Praxis gibt es ein Bestreben möglichst alle Gefährdungsbeurteilungen in gleicher Struktur und mit gleichem Umfang durchzuführen. Ein solches Vorgehen ist aus operativer Sicht zum Scheitern verurteilt. Wer einen Akkuschrauber genauso behandelt wie eine Dampfkesselanlage darf sich nicht wundern, wenn für das Wesentliche keine Zeit mehr bleibt. Je nach Komplexität und Zielsetzung müssen von einem effizienten System daher unterschiedliche Formate bereitgestellt werden. Beispielsweise für:

  • Einfache Arbeitsmittel für die vereinfachte Vorgehensweise nach §7 BetrSichV
  • Arbeitsmittelübergreifende Einzeltätigkeiten
  • Zusammengefasste Tätigkeiten, die einen zusammenhängenden Ablauf darstellen
  • Einzelarbeitsmittel (einzelne Maschine oder Druckbehälter,…)
  • Gesamtheit von Arbeitsmitteln (Gesamtheit von Maschinen, Baugruppen, Verfahrenstechnische Anlagen,…)
  • Arbeitsmittel ohne Herstellererklärung

Aktueller Stand unterstützender IT-Systeme

Dr. Kuno Karsten
Dr. Kuno Karsten - (Bild: SigeusCS)

Neben dem Wunsch nach Rechtssicherheit entsteht der Druck zur Entwicklung von IT-Systemen zur Unterstützung eines Pflichtenmanagements oft auch durch die Zertifizierung diverser Managementsysteme. Neben den Managementsystemen für Qualität, Umwelt, Arbeitssicherheit und Energie ist für die Instandhaltung vor allem die ISO 55001 von Bedeutung, aus der ebenfalls hohe Anforderungen an Compliance-Strukturen gestellt werden. Immer häufiger stellen daher Auditoren die Frage, wie man denn sicherstellt, dass alle Vorschriften eingehalten werden und Änderungen schnell erkannt und umgesetzt werden.

Softwareangebote zum Pflichtenmanagement gibt es auf dem Markt bereits viele. Darunter auch immer mehr mit den hier beschriebenen Eigenschaften, so dass man per Mausklick in der Lage ist, dem Auditor die entsprechenden Lösungen aufzuzeigen. Leider tun sich gängige Instandhaltungssysteme (SAP PM/AM, IBM Maximo, …) schwer, die oben genannten Anforderungen umfänglich abzubilden, so dass man hier noch auf separate Lösungen angewiesen ist.

Das liegt vor allem auch daran, dass die Software mit einer entsprechenden Dienstleistung verbunden sein muss, die nicht nur den Aktualisierungsdienst der Regelwerke im Rechtskataster aktuell hält, sondern auch geeignete technische, anlagenbezogene Interpretationen zur Ableitung der Pflichten liefern muss.

Hinweis: Eine Liste von möglichen IT-Tools zum Pflichtenmanagement kann beim Autor angefordert werden.

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