Jens Reichel

Tagungsleiter Jens Reichel - (Bild: Tanja Pickartz/fotoagentur ruhr)

Im Vorfeld der Veranstaltung sprach das Fachmagazin Instandhaltung mit dem Tagungsleiter Jens Reichel, Leiter Technische Dienstleistungen & Energie bei der thyssenkrupp Steel Europe AG in Duisburg und Vorsitzender der Gesellschaft für Produktion und Logistik und des Fachausschusses Instandhaltung im VDI.

Jens Reichel

Jens Reichel ist Tagungsleiter des 39. VDI-Forums Instandhaltung. – Bild: Tanja Pickartz/fotoagentur ruhr

Herr Reichel, was muss Instandhaltung grundsätzlich leisten?
Die Instandhaltung ist im Schatten der Entwicklung der digitalen Transformation in der Industrie gefordert. In diesem Kontext muss die Beherrschbarkeit der veränderten Anlagentechnik sichergestellt sein, welche durch mehr Automatisierungstechnik geprägt ist. Hier muss die Instandhaltung das Schnittstellenmanagement der verschiedenen Automatisierungskomponenten übernehmen. Das heißt: Die Systeme müssen miteinander kommunizieren und in Summe muss die Komplexität beherrschbar sein. Im Zuge dieser Veränderung muss sich die Instandhaltung auch neuen Aufgaben stellen. So können zukünftig mit Hilfe eines Advanced Analytics Baukastens aus verschiedenen Datenquellen zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden, um daraus weitergehende Informationen über den Anlagenzustand zu gewinnen.

Vor welchen Herausforderungen steht die Instandhaltungsbranche heute?
Durch die Veränderungen der Produktionssysteme sind neue Qualifikationsanforderungen erforderlich. Es reicht also nicht mehr, im Rahmen der Erstausbildung handwerkliche Fähigkeiten zu erwerben. Darüber hinaus müssen IT-Kenntnisse vorhanden sein. Dem damit einhergehenden Fachkräftemangel müssen die Instandhalter begegnen. Natürlich sind auch neue Geschäftsmodelle in der Instandhaltung – die sogenannten Smart Services – ein Thema, dem sich die Branche stellen muss.

Industrie 4.0, Smart Factory und Smart Services: Was bedeutet das für die Branche?
Diese Themen bedeuten zunächst neue Stufen der Komplexität. Darauf muss sich die Instandhaltung einstellen, insbesondere auch die Führungskräfte. Konkret heißt das: Es müssen Kompetenzen aufgebaut werden, die klassischerweise in der Instandhaltung bisher nicht vertreten waren. Früher wurde das Bild mit dem ölverschmutzten Blaumann oft mit der Instandhaltung in Verbindung gebracht. Heute sind es zunehmend Mitarbeiter mit Laptop und Tablet, die in die Anlage gehen und zunächst eine Datenanalyse durchführen, bevor dann Maßnahmen ausgelöst werden. Um das dafür notwendige Personal zu rekrutieren, ist natürlich auch ein gutes Image der Instandhaltung wichtig.

Lesen Sie auch unseren Beitrag 39. VDI-Forum Instandhaltung 2018 mit allen Informationen zum VDI-Wissenforum am 15. und 16. Mai im Chemiepark Knapsack in Köln-Hürth

Was können mobile Assistenzsysteme in der Instandhaltungs-Praxis leisten?
Fest steht: Die mobilen Assistenzsysteme stecken noch in den Kinderschuhen. Mit zunehmender Komplexität wird jedoch die Information am Ort des Geschehens immer wichtiger, also unmittelbar dort, wo die Problemlösung gefordert wird – an der Anlage. Mobile Assistenzsysteme können hier die notwendige Brücke schlagen, indem sie die erforderlichen Informationen, die der Instandhalter zur Lösung der Aufgabenstellung benötigt, direkt an den Arbeitsplatz heran transportieren. Dann liegt es an der begleitenden Organisation, die relevanten Informationen so aufzubereiten und bereitzustellen, dass der Instandhalter diese schnell und unkompliziert nutzen kann.
Aktuell widmen sich die Forschungs- und Entwicklungsprojekte den Fragen: Welche Technologie ist geeignet? Das robuste Tablet, welches auch in der Anlage überlebt oder die Datenbrille, die es erlaubt, die Informationen in das Sichtfeld des Mitarbeiters einzuspiegeln? Genauso wichtig ist jedoch auch die Frage, welche Aufbereitung die Daten erfahren müssen, damit sie in der Arbeitssituation eine Hilfestellung darstellen. Auch die Einbindung externer Experten in den unmittelbaren Instandhaltungsprozess ist ein wichtiger Punkt. Diese können durch die Nutzung entsprechender Techniken in das Geschehen einbezogen werden.

Stahlbereich, thyssenkrupp

Im Stahlbereich von thyssenkrupp wird in dem europaweiten Forschungsprojekt “facts4workers” das Thema mobile Instandhaltung getestet. – Bild: thyssenkrupp AG

Welche Rolle spielt das Thema Datensicherheit und welche Lösungen gibt es dafür?
Smart Services werden heute häufig so realisiert, dass ein Produktionsunternehmen über eine Schnittstelle die Cloud mit den Produktionsdaten füttert. Dort werden im Hintergrund entsprechende Analysen durchgeführt, die dann wiederum Rückschlüsse auf das Anlagengeschehen zulassen, aber auch auf mögliche mögliche Ausfälle hinweisen. Viele Produktionsunternehmen tun sich schwer damit, Dritte in die eigenen Daten, hineinschauen zu lassen.
Einerseits weil dadurch Rückschlüsse auf Prozessparameter möglich sind und damit Unternehmens-Know-how preisgegeben wird. Andererseits werden Zugangskanäle in die Produktionabläufe geöffnet, die zu Missbrauch führen könnten. Um dem entgegenzuwirken, werden sehr dezidierte Filter für die geöffneten Kanäle geschaffen, die sogenannten Firewalls. Mit diesen schützen sich die Unternehmen und sorgen gleichzeitig dafür, dass die Intrusion in das Unternehmen nicht so einfach möglich ist. Ein zweiter Weg ist es, die Datenöffnung ganz gezielt nur soweit vorzunehmen, wie es der jeweilige Fall erfordert. Das heißt, dass die zur Verfügung stehenden Daten vorher gefiltert werden, um sie auf genau das Maß zu reduzieren, welches für die vorgesehene Analyse erforderlich ist. In diesem Fall müssen Mitarbeiter dafür sensibilisiert werden, an diesen Schnittstellen die notwendigen Sicherheitsprozeduren zu installieren. Wichtig ist letztendlich das Bewusstsein dafür, dass ich mich mit der Instandhaltung in einem Bereich des schützenwerten Unternehmens-Know-hows befinde.

Was erwartet die Teilnehmer beim Forum Instandhaltung und was sind die Highlights?
Basierend auf den Trends, die die Veränderungen der Instandhaltung zeigen, sind auch die Inhalte des 39. VDI-Forums Instandhaltung gesetzt. Es gilt zu identifizieren, welches die Smart-Services-Prozesse sind, mit denen sich die Instandhalter, aber auch die Anwender auseinandersetzen wollen. Zudem wird beleuchtet, mit welchen Methoden die Prediction des Anlagengeschehens in den Unternehmen heute tatsächlich Anwendung findet. Grundsätzlich zeichnet sich das Forum Instandhaltung dadurch aus, dass es den Anwender unmittelbar anspricht. Beispiele verdeutlichen, wie die Qualifikationsanforderungen für die Instandhaltung aufgegriffen wurden und wie die Prozesse einer Standardisierung zugeführt werden, damit sie möglichst einfach auf die jeweilige Unternehmenssituation übertragen werden können.Und in einer Podiumsdiskussion beleuchten Best Ager und Digital Natives die Herausforderungen, die das Personal heute im Bereich Instandhaltung zu meistern hat, um die Nachwuchssicherung zu garantieren. nh

 

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