Akustische Überwachung des Transportsystems bei GlobalFoundries in Dresden

Das hochautomatisierte Transportsystem im Reinraum der Chipfertigung von GlobalFoundries in Dresden wird mittels des Health Predictors von T-Systems MMS akustisch überwacht, um Schäden vorzubeugen. (Bild: GlobalFoundries)

Mikrochips sind überall verbaut – in Haushaltsgeräten, Smartphones, Autos, Industrieanlagen und medizinischen Geräten – und auf dem Weltmarkt heiß begehrt. Im größten und modernsten Halbleiterwerk Europas produziert GlobalFoundries in Dresden Mikrochips für Kunden aus diesen Bereichen. Um Wartungszyklen zu optimieren und Produktionsausfälle zu vermeiden, hat T-Systems MMS gemeinsam mit dem Smart Systems Hub eine völlig neuartige, cloud-basierte IoT-Plattform implementiert.

Der Health Predictor ermöglicht es, das hochautomatisierte Transportsystem im Reinraum vorausschauend zu betreiben und Instand zu halten. Dieser wurde in Pionierarbeit und im Rahmen des bewährten „Digital Product Factory“- Co-Innovation Formats innerhalb von drei Monaten entwickelt.

Um einen weiteren Schritt in Richtung Smart Factory zu gehen, wurde eine intelligente IoT-Lösung entwickelt, die es ermöglicht, Wartung und Instandhaltung des hochkomplexen Wafer-Transportsystems am tatsächlichen Bedarf auszurichten. Zu diesem Zweck wird das Transportsystem live überwacht und sein Zustand in Echtzeit visualisiert. Dank des Health Predictors kann die Chipfertigung weiter optimiert und die Produktionskapazität maximal ausgelastet werden – gerade beim aktuellen Chipmangel auf dem Weltmarkt ist dies von erheblicher Bedeutung.

Wartungsaufwand reduzieren

Die Herstellung von Mikrochips beinhaltet über 1.000 Einzelschritte unter strengsten Reinraumbedingungen. Entsprechend hoch ist die Komplexität der gesamten Fertigung.

Die 300mm-Wafer, aus denen die Mikrochips entstehen, werden dabei in Fahrzeugen, den sogenannten Overhead Transportation Vehicles, transportiert. Auf einem 22 Kilometer langen Schienennetz an der Decke, dem „Automated Material Handling System“ (AMHS), befördern täglich mehr als 800 Fahrzeuge die Wafer in speziellen Boxen. An jeder Bearbeitungsstation senkt ein Hubsystem die Boxen ab. Im Anschluss werden die Waferboxen automatisch zum nächsten Fertigungsschritt transportiert. Fiele ein Roboter im laufenden Betrieb aus, könnte er Teile des Schienensystem im Reinraum blockieren und die Produktion in diesem Bereich verlangsamen. Entsprechend aufwendig und engmaschig wurde die komplexe Mechanik der Fahrzeuge bislang manuell überwacht und gewartet.

Das Automated Material Handling System im GlobalFoundries-Chipwerk in Dresden.
Das Automated Material Handling System im GlobalFoundries-Chipwerk in Dresden. (Bild: GlobalFoundries)

Akustische Diagnose im Vorbeifahren

Der GlobalFoundries Health Predictor wurde im laufenden Betrieb an einer Schiene des Wafer-Transportsystems im Reinraum installiert. Während der Smart Systems Hub die Hardware lieferte, steuerte T-Systems MMS die Software- und KI-Komponenten bei.

Ein hochsensibler akustischer Edge Computing-Sensor erfasst bei der smarten Lösung den Schall der vorbeigleitenden Fahrzeuge und kann Anomalien feststellen, beispielsweise, wenn ein Getriebe oder Kugellager die Verschleißgrenze erreicht. Mithilfe von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz werden die Daten zu Schwingungen und Vibrationen mit den bereits verfügbaren Daten in einer Datenbank abgeglichen. Im Gegensatz zu einer Cloud-Lösung, wird mittels Edge Computing die Latenzzeit bei der Übermittlung der Daten sehr gering gehalten. Dadurch werden Fehler in Echtzeit erkannt und analysiert. Auf einem Dashboard wird der „Gesundheitszustand“ der Transportroboter mit einem Ampelsystem permanent überwacht.

Dabei kommt die Cloud-Plattform Amazon Web Services AWS zum Einsatz. In die KI-basierte Cloud-Lösung wurden verschiedene Datenquellen integriert, unter anderem neuartige MEMS-Akustiksensoren und eine Big-Data-Anwendung, die pro Tag mehr als 10.000 Files mit fahrzeugbezogenen Daten auswertet.

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(Bild: krunja/stock.adobe.com)

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Ob ein Transportroboter unmittelbar repariert oder gewartet werden muss, lässt sich über das System vorausschauend erkennen. Der Health Predictor gleicht dazu das Schallprofil jedes einzelnen Roboters mit dem hinterlegten Schallprofil in der Datenbank ab. Erreicht es einen bestimmten Schwellenwert, wird ein Alarm ausgelöst. Die erhobenen Fehler-Daten dienen dem Reporting, für Analysen, Berichte und Audits.

Die im Dresdner Halbleiterwerk installierte Pilotlösung „GlobalFoundries Health Predictor“ diente zunächst dazu, die technische Machbarkeit zu klären. Inzwischen wird ein Folgeprojekt umgesetzt, bei dem Edge Computing-Sensoren an mehreren Stellen, beispielsweise auch in Kurven und in verschiedenen Schienensystemen, installiert werden. Bei erfolgreichem Verlauf ist der Rollout der IoT-Anwendung weltweit auch an anderen Produktionsstandorten von GlobalFoundries vorgesehen.

Maximaler Output dank Smart Maintenance

Ohne in die laufende Produktion eingreifen zu müssen, wird der Wartungsbedarf der Transportroboter frühzeitig erkannt, präzise bestimmt und visuell aufgezeigt. Denn lange bevor Schäden auftreten, registriert der Health Predictor Auffälligkeiten in Echtzeit. Produktionseinschränkungen aufgrund eines defekten Transportroboters, der Teile des Schienensystems blockiert, können so vermieden werden

Ein weiterer Vorteil: Aufgrund der rechtzeitigen Wartung erhöht sich die Lebensdauer der Transportroboter. Intakte Teile müssen nicht mehr routinemäßig ausgetauscht werden und Personal, Material und Zeit können eingespart werden.

Dies zahlt auch auf das Thema Nachhaltigkeit ein, denn bei höchster Fertigungsqualität kann gleichzeitig die Vor-Ort-Präsenz der Wartungstechniker im Reinraum reduziert werden.

Da die Hard- und Software-Komponenten des Health Predictors modular aufgebaut sind, kann die KI-basierte Anwendung zukünftig auch für weitere Fertigungs- und Logistiksysteme von GlobalFoundries zum Einsatz kommen. Das Halbleiterwerk in Dresden kann sich so als Vorreiter im Bereich Smart Factory und sensorgestützte Überwachung positionieren – sowohl innerhalb des eigenen Unternehmens als auch in der Branche insgesamt.

Reinraum
Arbeit im GlobalFoundries-Reinraum in Dresden. (Bild: GlobalFoundries)

Smart Maintenance: Wachsender Erfolgsfaktor für Industrieunternehmen

Laut einer Studie des Bundeswirtschaftsministeriums von 2020 können Unternehmen, die KI-Technologien einsetzen, ihren Gewinn um rund 25 Prozent steigern. Ist Smart Maintenance als Element der Industrie 4.0 in Unternehmen im deutschsprachigen Raum noch wenig verbreitet, zeigen Berichte über Innovationsführer und auch der Anwendungsfall von GlobalFoundries ihr Potenzial schon jetzt. Je früher Unternehmen den Einstieg in die modernen Technologien in Angriff nehmen, desto größer ihr Wettbewerbsvorteil.

Mit wachsender Komplexität von Produkten sowie Fertigungs- und Betriebsprozessen steigt die Nachfrage nach wirtschaftlichen und zuverlässigen Ansätzen in der Qualitätssicherung, Wartung und Instandhaltung. Verfahren der akustischen Diagnose bieten hier ein beachtliches Potenzial, da bereits mit geringem Aufwand Fehler detektiert werden können. Nicht nur die Fertigung profitiert von dieser Technologie, denn die Anwendungsgebiete und Entwicklungspotenziale sind vielfältig. So können solche Smart Maintenance Anwendungen etwa auch in den Bereichen Produktionstechniken und Prozesstechnologien, Produktentwicklung, Logistik und Supply Chain Management eingesetzt werden. Auch die Prüfung von Bauteilen und Komponenten in den Bereichen Umwelt und Verkehr ist möglich.

Die digitale Transformation der Instandhaltung ist zwar ein über Jahre dauernder Prozess, erste Erfolge lassen sich mithilfe von Smart Maintenance aber schnell erzielen. Auf diese Weise sammeln Unternehmen positive Referenzwerte, der Rückhalt im Management wird gestärkt und die Bereitschaft der Mitarbeitenden, sich auf neue Prozesse und Technologien einzulassen, wächst. Darauf können Unternehmen dann aufbauen, um weitere Innovation folgen zu lassen.

Über den Autor

Dr. Stefan Pietschmann
(Bild: GlobalFoundries)

Dr. Stefan Pietschmann leitet bei T-Systems MMS den Bereich „Digital Twin Solutions“. Seit mehreren Jahren begleitet er produzierende Unternehmen dabei, die Potentiale und Mehrwerte von Industrie 4.0 und IoT in konkrete Software-Lösungen umzusetzen – von der Entwicklung der Produktvision bis zur Inbetriebnahme. Im Fokus stehen dabei Lösungen für vernetzte Produkte und vernetzte Produktion, u.a. zur Fernüberwachung und -wartung, zur erweiterten Datenanalyse bis hin zur Umsetzung neuer Geschäftsmodelle.

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