Die Softwarelösung proSVIFT der Fraunhofer-Institute IGD und LBF überführt das Konzept der probabilistischen FMEA mittels Visualisierung in die Praxis.

Die Softwarelösung proSVIFT der Fraunhofer-Institute IGD und LBF überführt das Konzept der probabilistischen FMEA mittels Visualisierung in die Praxis. (Bild: angkhan -stock.adobe.com)

Ob autonomes Fahrzeug in der Intralogistik oder Werkzeugmaschine in der industriellen Fertigung: Fehler und Ausfälle einzelner Geräte und Komponenten sind nicht immer zu vermeiden. Deren Wahrscheinlichkeit einzuschätzen und den Aufbau technischer Systeme hinsichtlich ihrer Betriebs- und Prozesssicherheit zu optimieren, ist daher umso wichtiger. Mit proSVIFT entwickelten Forschende des Fraunhofer IGD ein neues Analysewerkzeug, das auf einer probabilistischen Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) basiert und intuitiv steuerbar ist. Anwender reduzieren so Produktionsausfälle, kritische Auswirkungen und Folgekosten.

Was ist FEMA?

Die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) ist eine Methode zur frühzeitigen Erkennung und Vermeidung von möglichen Fehlern in einem Produktionsprozess oder einem Produkt. Dabei werden alle möglichen Fehlerquellen systematisch erfasst und bewertet, um anschließend Maßnahmen zur Fehlervermeidung oder -reduzierung zu ergreifen.

Die FMEA wird in vielen Branchen eingesetzt, insbesondere in der Automobilindustrie, der Luft- und Raumfahrttechnik, der Medizintechnik und der Elektronikindustrie. Dabei kann die FMEA auf verschiedenen Ebenen durchgeführt werden, zum Beispiel auf der Ebene eines Gesamtsystems, einer Komponente oder eines Prozesses.

Die FMEA basiert auf einer systematischen Vorgehensweise, bei der alle möglichen Fehlerquellen, deren Auswirkungen und Einflüsse erfasst und bewertet werden. Dabei wird jeder Fehler hinsichtlich seiner Eintrittswahrscheinlichkeit, seiner Auswirkung und seiner Früherkennungsmöglichkeit bewertet.

Auf der Grundlage dieser Bewertungen werden dann Prioritäten gesetzt und Maßnahmen zur Vermeidung oder Reduzierung der Fehler ergriffen. Durch die Durchführung einer FMEA können spätere Korrekturkosten reduziert und die Qualität des Produktes erhöht werden.

Eine Schraube hat sich gelockert, das Rad des fahrerlosen Transportfahrzeugs löst sich. Die Weiterfahrt verzögert sich, Folgeprozesse geraten ins Stocken. Ein realistisches Szenario, von dem kein Anwender überrascht werden möchte. In einem gemeinsamen Projekt mit dem Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF haben Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD deshalb eine Technologie geschaffen, die die bisherige Form der probabilistischen, also wahrscheinlichkeitsbasierten FMEA auf Basis von Bayes’schen Netzen weiterentwickelt. Durch eine anwendungsgerechte Visualisierung erhöhen die Forschenden die Benutzerfreundlichkeit und überführen damit das methodische Konzept der probabilistischen FMEA in die praktische Anwendung.

Neben dem ursprünglichen Einsatzgebiet in der Intralogistik kann die Software auch in allen anderen Bereichen der Produktentwicklung eingesetzt werden, in denen die Zuverlässigkeits- und Sicherheitsbewertung technischer Systeme relevant ist - zum Beispiel in der Automobilindustrie.

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(Bild: krunja/stock.adobe.com)

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Von der qualitativen hin zur quantitativen Risikobewertung

„Mit unserer Lösung vereinen wir verschiedene Tools und vereinfachen die Modellierung sowie Bewertung von Gefährdungspotenzialen“, erklärt Lena Cibulski, Projektleiterin für das Fraunhofer IGD. Sie minimiere sowohl den Bedarf an Expertise bezüglich FMEA und Zuverlässigkeitstheorie als auch Softwarebedienung. „Zusätzlich unterstützt unser Werkzeug in der Systematik, beispielsweise durch Hinweise auf bisher unspezifizierte (bedingte) Wahrscheinlichkeiten.“

Darüber hinaus ermöglicht die Technologie den Übergang von der qualitativen zur quantitativen Risikobewertung. „„Erstere beruht mehr auf Beobachtungen und ist deskriptiv angelegt. Die Fraunhofer-Auswertung hingegen erfolgt datenbasiert und konkretisiert die Risiken, deren Wahrscheinlichkeiten sowie Folgen“, sagt Prof. Dr.-Ing. Jörn Kohlhammer, Leiter der Abteilung Informationsvisualisierung und Visual Analytics. Gerade in sicherheitsrelevanten Branchen wie der Luftfahrt sei das wichtig.

Praxisorientierte Anwendung im nächsten Schritt

Welche Fehler führen am häufigsten zu Ausfällen oder kritischen Situationen? Welche sind die maßgeblichen Stellschrauben zur Risikominderung? Bringt ein weiterer Sensor als Diagnosemöglichkeit den gewünschten Erfolg oder führen falschpositive Fehlermeldungen zu vermeidbaren Ausfallzeiten? Die Software unterstützt dabei, im Konflikt zwischen Sicherheitsanforderungen und Störungsfreiheit abzuwägen und minimiert so Kosten.

In einem Folgeprojekt mit dem Fraunhofer LBF stellen Cibulski und Kohlhammer eine noch engere Anbindung an die Praxis her. Die Modellierung soll sich dann nicht mehr lediglich auf Eingaben des Ingenieurs oder der Ingenieurin beziehen, sondern auch Live-Daten auswerten und so die Zustandsüberwachung im Betrieb intensivieren. „Unser Anspruch ist es, die Forschung möglichst nah an den Bedürfnissen der Unternehmen auszurichten. Daher sind wir auf der Suche nach Industriepartnern, um die Technologie in deren Prozesse zu integrieren“, erläutert Cibulski die kommenden Schritte.

Was ist Zustandsüberwachung?

Die Zustandsüberwachung bezieht sich auf den Prozess, bei dem die Bedingungen, Parameter oder Leistungsindikatoren eines Systems oder Geräts überwacht werden, um sicherzustellen, dass sie innerhalb der vorgegebenen Grenzwerte oder Standards liegen.

Im Allgemeinen umfasst die Zustandsüberwachung die Verwendung von Sensoren oder anderen Instrumenten, um Daten zu sammeln und zu analysieren, um den Zustand eines Systems zu bewerten. Diese Daten können dann verwendet werden, um Probleme zu identifizieren, bevor sie zu schwerwiegenden Fehlfunktionen führen, und um Wartungsbedarf vorherzusagen und zu planen.

Zustandsüberwachung findet in einer Vielzahl von Bereichen Anwendung, von der Überwachung von Maschinen in der Fertigung und Industrie bis hin zur Überwachung von Anlagen in der Luftfahrt, im Verkehrswesen und in der Energieerzeugung.

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