Solange die Instandhaltung dafür sorgt, dass die Maschinen permanent im exakten Takt der Supply Chain sowie in gleichbleibender Qualität die gewünschten Teile produzieren, ist alles gut. Solange ungeplante Stillstände vermieden, Ausfallzeiten gering gehalten, Defekte repariert, fehlerhafte Komponenten im Zuge der reaktiven Instandhaltung ausgetauscht und die Wartung an der Maschine nach den Empfehlungen der Hersteller optimal eingehalten wird, sind alle glücklich und die Instandhaltungsstrategie gilt als gelungen.
Aber das Festhalten an dieser Vorgehensweise könnte sich auf lange Sicht als Schuss ins eigene Knie erweisen. Denn Unternehmen mit klassischer, reaktiver Wartung und Instandhaltungsstrategien wie oben beschrieben, dürfte es im Zuge voranschreitender Transformationen im Sinne von Industrie 4.0 bald an den Kragen gehen: Wettbewerber, die mit aus Big-Data-Analysen, Künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernen sowie der Hilfe eines Data Scientists gespeiste vorausschauende Instandhaltung implementieren, werden ihnen mit ihrem Know-how und ihren Maßnahmen mittelfristig den Rang ablaufen.
Definition. Das bedeutet Predictive Maintenance
Was ist Predictive Maintenance?
Predictive Maintenance oder vorausschauende Wartung ist ein Werkzeug, um die Leistung eines Betriebs zu optimieren. Dadurch können mögliche Ausfälle vorhergesehen und vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden, bevor sie zu kostspieligen Problemen werden. Durch den Einsatz von Predictive Analytics können Fachleute Muster in Daten erkennen, die darauf hinweisen, wann Geräte gewartet oder ausgetauscht werden müssen, sodass sie vorausplanen und Ausfallzeiten reduzieren können. Dies hilft, die Effizienz zu steigern und gleichzeitig die Kosten für Notfallreparaturen oder -ersatz zu senken. Darüber hinaus bietet die vorbeugende Wartung wertvolle Einblicke in den Betriebszustand, sodass bei Bedarf Anpassungen vorgenommen werden können, um im Laufe der Zeit bessere Ergebnisse zu erzielen.
Vorausschauende Wartung als passende Instandhaltungsstrategie
Wie so oft reden viele, aber nur wenige handeln. So urteilen auch die Autoren einer Online-Umfrage der Management- und Technologieberatung Bearing Point aus dem Jahr 2017 unter Fachexperten in Instandhaltung, Produktion, Logistik und IT aus 74 Unternehmen (Maschinenbau, Chemie/Pharma und Automobilindustrie): Trotz großer Präsenz und viel Information sei Predictive Maintenance auch in den Zeiten von Industrie 4.0 und Big Data noch kaum in den Werkshallen angekommen - nach wie vor dominiere die reaktive Wartung statt der vorausschauenden Instandhaltung.
Während sich 84 Prozent der Befragten in den verschiedenen Branchen mit dem Thema in ihrer Instandhaltungsstrategie auseinandersetzen, hat erst jedes vierte Unternehmen erste Projekte in Hinblick auf Predictive Maintenance umgesetzt. In diesen Fällen erfassen 76 Prozent der Befragten aktuelle Daten ihrer Anlage oder Maschine via Sensoren, 59 Prozent werten diese großen Datenmengen zielgerichtet aus, jedoch lediglich rund 20 Prozent optimieren ihre Instandhaltungsmaßnahmen ganzheitlich auf der digitalen Datenbasis. So erfahren sie weniger über den tatsächlichen Zustand der Maschine und nehmen ungeplante Ausfälle in Kauf.
Was hinter Predictive Maintenance steckt
Die bei der Vernetzung von Maschinen und Anlagen gewonnenen Zustandsdaten und Informationen können per Sensor erfasst und clever digital mit Daten aus dem MES (Manufacturing Execution System) aber auch dem ERP (Enterprise Resource Planning) kombiniert werden, um etwa den Inspektions- oder Wartungszeitpunkt einer Maschine präzise zu prognostizieren. Predictive Analytics ist hier eines der Mittel der Wahl, um die vorausschauende Instandhaltung voranzutreiben.
Video: Predictive Maintenance by Tetra Pak
So erfolgt eben diese vorausschauende Wartung erst dann, wenn es wirklich notwendig ist und nicht nach starren Intervallen oder nach einem Schaden wie bei der reaktiven Instandhaltung – das spart personelle Ressourcen, operative sowie Wartungskosten.
Die von Bearing Point befragten Anwender erwarten zwar in erster Linie, dass Predictive Maintenance die Anlagenverfügbarkeit, sprich die OEE (Overall Equipment Effectiveness) erhöht (80 Prozent) und nennen erst an zweiter Stelle die Reduzierung der Wartungs- beziehungsweise Servicekosten (60 Prozent).
Wobei das Ranking technisch eigentlich keine Rolle spielt, wohl aber, dass die digital basierte vorausschauende Wartung noch mehr leisten kann – was vielen Unternehmen in der Instandhaltung nicht so ganz bewusst zu sein scheint: etwa die Lebensdauer der Anlage und ihrer Komponenten sowie deren Sicherheit erhöhen, den Pseudoausschuss minimieren und - Digital vor real: Ersatzteilmanagement mit Virtual Reality">das Ersatzteilhandling optimieren
Beispiele für vorausschauende Wartung
In der Praxis bereits gang und gäbe sind Predictive-Maintenance-Prozesse bei der Überwachung der Betriebsdaten von Inspektion und Wartung von Windrädern und Turbinen sowie im Automotive-Sektor (beispielsweise mit den Verfahren von Quasar Europe und Vibrant PCRT). Hauptsächlich werden in diesen Branchen verdächtige Vibrationen, Unwuchten und Materialfehler über diese Condition-Monitoring-Maßnahmen detektiert.
Dafür analysieren mathematische Algorithmen im Internet of Things Material und Verhalten verschleißgefährdeter Komponenten, die extremen Bedingungen ausgesetzt sind. Die Ausfallwahrscheinlichkeit von Lagern etwa ist so bereits sehr frühzeitig prognostizierbar. Anbieter von Antriebs- und Fluidtechnik wie Aventics, Bosch Rexroth, Festo, Schaeffler, Schmalz, Argo Hylos, Hydac und ZF setzen in der Instandhaltung bereits seit Jahren auf Predictive-Maintenance-Systeme.
Ranking: Wo wird Predictive Maintenance am häufigsten eingesetzt?
Ein Beispiel für einen konkreten Kunden-Benefit durch vorausschauende Wartung liefert Boge, Hersteller von Kompressoren. Seine Hochleistungs-Anlagen werden in der Pharma- und Nahrungsmittelindustrie, in industriellen Lackierbetrieben und in der Halbleiterproduktion eingesetzt – Anwendungsbereiche, in denen Maschinenstillstände fatale Folgen haben können. Mit einer Industrial-Analytics-Lösung von Weidmüller, die Fehler und Betriebsanomalien aufdeckt, gelingt Boge die präventive Fehlervermeidung, was für erhöhte Prozesssicherheit beim Kunden sorgt, ganz im Sinne der Instandhaltungsstategie Vorausschauende Wartung.
Smart Tools in der Wartung: Schlaue Systeme lernen dazu
Die Software erkennt geänderte Rahmenbedingungen (zum Beispiel ein Defekt im Kühlsystem, der ein Motorenproblem auslösen könnte), kündigt mittels eines Vorhersage-Algorithmus die geänderte Ausfallwahrscheinlichkeit an und warnt den Maschinennutzer vor einem Ausfall.
Boge-Sprecher Horst Kalla erklärt: "Die Software zur vorausschauenden Wartung erkennt frühzeitig Fehler und kritische Abweichungen der technologischen Parameter. In die Datenauswertung fließen die Einsatzerfahrungen aller Boge-Druckluftlösungen ein." So könnten im laufenden Betrieb Vorhersagen über einen zukünftig anstehenden Wartungsbedarf getroffen und Serviceeinsätze optimal geplant werden.
Mehr noch: Mit jeder Fehlermeldung und Rückmeldung des Bedieners lernt das System dazu und verändert sein Modell. So werden berechnete Ausfall-Vorhersagen über die gesamte Betriebszeit hinweg immer präziser. Auch könnten wenngleich noch nicht aufgetretene, jedoch mögliche Fehler eingelernt werden.
Ob Predictive Maintenance schon die allein selig machende Instandhaltungsstrategie ist? Fraglich - aber sicher ist, dass Anbieter, die sich bereits in Richtung Industrie 4.0 bewegen, in Zukunft ohne allzu großen zusätzlichen Aufwand von den Vorteilen der vorausschauenden Wartung profitieren können. Sind sie doch bereits dabei, die wichtigsten Voraussetzungen für PM-Prozesse zu schaffen, nämlich: Daten erfassen, digitalisieren und übermitteln; erhobene Daten speichern, analysieren und bewerten oder Eintrittswahrscheinlichkeiten für bestimmte Ereignisse errechnen.
Bearbeitet von Stefan Weinzierl
Predictive Maintenance - der große Überblick
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