Die Industriemechanikerin Manuela Kopp ist für das Condition Monitoring an den drei riesigen Papiermaschinen bei UPM im bayerischen Schongau zuständig.

Die Industriemechanikerin Manuela Kopp ist für das Condition Monitoring an den drei riesigen Papiermaschinen bei UPM im bayerischen Schongau zuständig. - (Bild: Weinzierl)

Es war der Trendverlauf der Kurven in ihrer Condition-Monitoring-Software, die Manuela Kopp auf eine technische Unregelmäßigkeit an der Papiermaschine 6 der UPM-Papierfabrik am Ufer des Lech aufmerksam machte. "Das ging ganz langsam – immer ein bisschen mehr", erinnert sich Kopp.

Schließlich wollte sie sich nicht mehr nur auf Sensorik und Software verlassen, begab sich vor Ort und hörte die Maschinerie mit dem Stethoskop ab. "Ich bin die Hälfte meiner Arbeitszeit am Rechner und die andere bin ich in der Anlage unterwegs – auch ganz klassisch mit dem Stethoskop", erzählt sie. "Ich finde das wichtig, denn nur live vor Ort bekommt man ein besseres Gefühl für die Maschinen und kann dann am Rechner besser entscheiden, ob ein Schaden vorliegt und wie schlimm er möglicherweise ist."

3.900 Messungen an der Anlage am Tag

Für die Zustandsüberwachung nutzt die Industriemechanikerin in erster Linie die mit ihrer Software verbundenen rund 1.300 Messstellen der Fabrik. "Pro Messstelle sind es drei Messungen, sodass ich am Tag rund 3.900 Messungen habe", sagt Kopp. Dazu kommen die Messungen, die sie auf ihren regelmäßigen Runden mit dem Handgerät vornimmt. Dabei hat sie durchaus schon ab und an Überraschungen erlebt: "Manchmal sehen die Frequenzen, die einen Schaden anzeigen können, im Spektrum gar nicht so groß aus – und dann geht man vor Ort und denkt: Uff, das muss aber schleunigst raus."

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Immer neue Erfahrungen im Condition Monitoring

Beim Erkennen möglicher technischer Unregelmäßigkeiten an der Anlage hilft der Instandhalterin ihre mittlerweile reiche Erfahrung: "Ich bin jetzt seit sieben Jahren ausgelernt und mache seit sechseinhalb Jahren Condition Monitoring", erzählt Kopp. Dabei kam sie eher zufällig zu ihrer jetzigen Aufgabe: "Die Stelle war gerade frei und ich wurde gefragt, ob ich mir das mal anschauen möchte. Dann habe ich reingeschnuppert und es hat mir gleich echt Spaß gemacht."

Der Industriemechanikerin gefallen die immer neuen technischen Herausforderungen ihres Bereichs: "Man lernt nie aus. Es kommt ständig etwas, bei dem ich mich frage: Was ist das, das hatte ich noch nie? Man muss sich immer reindenken und es ist immer was Neues." Fragte sie zu Beginn ihrer Tätigkeit noch oft einen Kollegen, ob er ihre Ergebnisse gegenchecken könne, macht sie das inzwischen nicht mehr: "Da bin ich jetzt selbstsicherer geworden. Ein Lagerschaden ist total einfach zu finden, mittlerweile", lacht sie.

"Oh mein Gott, was ist jetzt passiert?"

Die Erfahrung hat Manuela Kopp eine gewisse Gelassenheit gelehrt. War sie früher beim kleinsten Ausschlag ihres Graphen unterwegs zur Anlage, beobachtet sie heute die Entwiklung erst einmal per Software genauer.
Die Erfahrung hat Manuela Kopp eine gewisse Gelassenheit gelehrt. War sie früher beim kleinsten Ausschlag ihres Graphen unterwegs zur Anlage, beobachtet sie heute die Entwiklung erst einmal per Software genauer. - (Bild: Weinzierl)

Dabei trägt sie eine große Verantwortung für die Anlage. Denn wenn sie mit ihrer Software einen möglichen Schaden detektiert, kann es sein, dass eine komplette Maschine erst einmal stillsteht – und somit kein Geld verdient. Irrtümer wären also fatal. Das ficht die Expertin aber nicht an: "Man lernt zu unterscheiden, ob es eine Fehlmessung war, ob der Stecker ein bisschen gerutscht ist, ob der Sensor kaputt ist oder ob Öl im Sensor ist", erklärt Kopp. "Anfangs bin ich immer gleich auf die Maschine hoch und habe mir gedacht: Oh mein Gott, was ist jetzt passiert? Die ganzen Werte springen nach oben? Und als ich dann oben war merkte ich, es ist ja gar nichts."

Das hat sich klar geändert: "Mittlerweile weiß ich: Erst den Trend in der Software anschauen, ob sich da was tut. Ich prüfe, ob es sich lediglich um einen kurzen Ausschlag handelt oder ob das langsam nach oben ansteigt. Wenn es langsam ansteigt ist es meistens schon ein Indiz, dass wirklich ein Schaden dahintersteckt."

Und im fraglichen Fall war es genau so, dass die Summenwerte der VEL- und ACC-Messungen, also der Schwinggeschwindigkeit und der Schwingbeschleunigung, der Sensoren am Räderkasten der ersten Trockengruppe der Papiermaschine 6 langsam aber stetig anstiegen.

In diesem Bereich der Anlage laufen drei Zylinder mit je 87 Zähnen, vier Zahnräder mit je 63 Zähnen und zwei Räder mit je 41 Zähnen. "Es war nicht wirklich etwas zu hören", erinnert sich Kopp. "Bei so vielen Zahnrädern, die ineinandergreifen, ist es sehr schwierig, etwas zu messen oder zu hören: der Zahneingriff, die Zylinder, und dann läuft auch noch ein Sieb an dieser Stelle – es war einfach alles ein bisschen laut."

Experten hinzugezogen

Doch als die Expertin am Bildschirm nochmals ihre Spektren überprüfte, war der Zahneingriff anders zu sehen, als er hätte sein dürfen. "Normalerweise müssen die Zahneingriffsfrequenzen und die Seitenbänder auf das Zahnrad passen, an dem der Schaden ist. Das Problem war, dass die Frequenzen nicht nur am Zylinderzahnrad, an dem wir den Schaden vermuteten, passten, sondern auch auf die Zahnräder daneben. Also wussten wir nicht, ist es der Zylinder oder sind es die Zahnräder daneben."

Kopp entschied, einen externen Endoskopie-Experten hinzuzuziehen. "Der Tausch eines Zylinderrads ist sehr aufwendig – dabei muss die ganze Stuhlung raus und das bedeutet, zwei oder drei Tage teuren Stillstand. Deshalb wollten wir so wenig wie möglich abstellen." Auf den Bildern aus dem Inneren der Maschine war dann eine einseitige Belastung der Zähne zu sehen – nicht so schlimm, meinte der externe Dienstleister.

Für Manuela Kopp bedeutet Condition Monitoring nicht nur das Beobachten von Diagrammen - rund die Hälfte ihrer Arbeitszeit ist die Instandhalterin in der Anlage unterwegs.
Für Manuela Kopp bedeutet Condition Monitoring nicht nur das Beobachten von Diagrammen - rund die Hälfte ihrer Arbeitszeit ist die Instandhalterin in der Anlage unterwegs. - (Bild: Weinzierl)

Doch Kopps Kurven zeigten eher das Gegenteil. Die Werte an der Papiermaschine stiegen weiter und die Instandhalterin entschied, die Zahnräder rechts und links des Zylinders auszutauschen. Doch der Anstieg blieb. Also wurden nochmals externe Messexperten herangezogen. "Die waren der Auffassung, dass die Zapfen der neben dem Zylinder liegenden Zahnräder verbogen sind. Vom Zylinder selbst war aber keine Rede", erinnert sich die Industriemechanikerin. "Irgendwann sind aber dann die Werte so weit angestiegen, dass nichts mehr ging und wir abstellen mussten. Wir hatten axial 24 Millimeter gemessen – und normalerweise würde schon bei zehn Millimetern abgestellt."

Zylindertausch nötig

Dem Team blieb also nichts anders übrig, als die Stuhlung schließlich doch zu öffnen. Dann wurden die neben dem fraglichen Rad liegende Zahnräder ausgebaut und versucht, das Zahnrad zu drehen – was fast zu Dreiviertel gelang. "Da war klar, dass etwas ganz und gar nicht stimmte." Als das Zahnrad abgezogen wurde, stellte sich heraus, dass die Passfeder bereits komplett abgeschert war und sich völlig in den Zapfen eingearbeitet hatte. Also musste der Zylinder ausgetauscht werden.

Doch hier stieß Kopp auf ein weiteres Problem: Es war vom Hersteller der Papiermaschine nie vorgesehen, dass der Trockenzylinder ausgetauscht wird. "Diese Bauteile sind eigentlich Dauerläufer", erklärt die Instandhalterin. Und mit dem reinen Beschaffen eines Ersatzteils war es nicht getan: Der neue Zylinder musste auch zu den Bauteilen passen, die in der Maschine verbleiben sollten. "Denn wir haben ja den Antrieb mit dem externen Getriebe, das den Räderkasten antreibt, und über dem Räderkasten werden die Zylinder angetrieben. Außerdem läuft das Sieb darüber, das auch noch Reibung abgibt."

Doch Kopp und ihr Team hatten Glück: Irgendein vorausschauender Mensch hatte im Jahr 1968, als die Maschine gebaute wurde, tatsächlich drei der tonnenschweren und ja eigentlich unnötigen Austauschzylinder in einem Außenlager der Fabrik auf Halde gelegt. "Wir haben uns den ausgesucht, der am besten passt – auch wenn er nicht hundertprozentig den Maßen entsprach."

Nun konnte es losgehen, also machten sich die Instandhalter ans Werk – unterstützt vom Maschinenhersteller. "Man hat in drei Schichten drei Tage gearbeitet, bis die Haube aufgeschnitten, der alte Zylinder draußen und der neue eingebaut war", erinnert sich Kopp an die Arbeit in dem engen Bereich rund um den Räderkasten. "Dann fahren wir an – und die Geräuschentwicklung sowie der Summenwert sind für neue Teile immer noch viel zu hoch", sagt Kopp.

"Ich bin die Hälfte meiner Arbeitszeit am Rechner und die andere bin ich in der Anlage unterwegs – auch ganz klassisch mit dem Stethoskop." - Manuela Kopp, Instandhalterin bei UPM in Schongau

"Mir war schon klar, dass die Durchmesser der einzelnen Teile nicht ganz aufeinander abgestimmt waren, also vermutete ich, dass diese Teile nicht zusammenpassen." Messungen zeigten, dass Kopp recht hatte: "Es trat eine Frequenz auf, die vorher nicht da war und die wir nicht zuordnen konnten." Es stellte sich heraus, dass es sich um eine Eigenresonanz handelte, die aus der Inkompatibilität der Bauteile resultierte: "Die Zahnräder haben quasi beschleunigt und das Sieb wurde abgebremst – die Teile haben also die ganze Zeit gegeneinander gearbeitet."

Auftragschweißen als Lösung

Wieder musste eine Idee her, wie die Durchmesser der einzelnen Teile aufeinander abgestimmt werden konnten. Schließlich entstand der Plan, bei drei der in der Gruppe verbauten Zylinder den Mantel mittels Auftragschweißen erst aufzubauen und dann auf das erforderliche Maß herunterzuschleifen.

"Die Spezialisten einer Fremdfirma brauchten fünf Tage, bis es gepasst hat – das ging nur während eines größeren Stillstandes über Weihnachten", erzählt Kopp. Nachdem die Arbeiten beendet waren und die Maschine wieder anfuhr, machte sich Erleichterung breit: Alle Kurven auf Kopps Bildschirm und alle Geräusche bewegten sich im normalen Rahmen. "Vom Entdecken des Schadens bis zur finalen Reparatur haben wir sechs Monate gebraucht", sagt Kopp.

Was die schlussendliche Ursache für den Defekt war, stand nicht fest. "Aber wir hatten da schon immer Probleme", erklärt die Instandhalterin. "Wir mussten an dieser Gruppe jedes Jahr ein Lager austauschen – bei den anderen Gruppen nicht". Erst als der ausgebaute Zylinder vermessen wurde, stellte sich heraus, dass er eigentlich gar nicht zu den anderen gepasst hatte. "Er hat sich über die Jahre, die er drin war, mehr abgenutzt als die Zylinder nebenan. Also haben schon die ursprünglichen Bauteile gegeneinander gearbeitet". 

Genaue Analyse mit allen Mitteln

Die Entdeckung des Schadens wäre ohne Condition Monitoring kaum möglich gewesen. Dazu kommt, dass Kopp über die Jahre gelernt hat, geradezu virtuos mit ihrer Software SKF aptitude analyst umzugehen. "Ganz am Anfang fiel nur auf, dass im Trend, der sozusagen einen Überblick über das Spektrum im betreffenden Bauteil liefert, die Werte langsam anziehen, auf konstantem Niveau immer oben bleiben und eher eine Tendenz nach oben zu beobachten ist", erklärt die Spezialistin.

"Dann haben wir genau analysiert, was da genau passiert, warum uns das ansteigt und da hat man vor allem den Zahneingriff gesehen." Ein Nachteil war laut Kopp, dass an der betreffenden Stelle nicht so viele Sensoren gesetzt sind. "Wir haben nicht an jedem Zahnrad einen Sensor, sondern nur unterhalb an der Stuhlung, wodurch wir nicht direkt am Lager sind. Deshalb kommen hier regelmäßig unsere Handmessgeräte zum Einsatz, auch wenn wir sie aufgrund der Platzverhältnisse nur axial einsetzten können."

Bei UPM in Schongau ist Condition Monitoring seit inzwischen rund 16 Jahren im Einsatz. "Wir waren so ziemlich die Ersten, die die SKF-Technik genutzt haben", sagt Kopp. Nun soll es bald zwei Neuerungen geben: Die Nachfolge-Software wird möglicherweise eingeführt – und Manuela Kopp bekommt Unterstützung bei ihrer systemrelevanten Aufgabe. "Wir lernen jemanden an, der mich unterstützt", sagt sie. Und hat auch gleich ein paar Tipps für den Nachwuchs: "Man muss sich Zeit nehmen zum Analysieren, keine Schnellschüsse, das ist das Wichtigste. Denn wenn man ganz schnell nur draufschaut, trifft man oft die falsche Entscheidung, weil man etwas übersieht. Und: Die Drehzahl muss passen."

Video: Papierherstellung

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