Unglaublich aber wahr: Noch immer haben viele Gebäudereiniger nicht das Potenzial digitaler Prozesse und aktueller Software für sich erschlossen. Angesichts steigender Anforderungen an Flexibilität und Qualitätsmanagement helfen branchenspezifische und professionelle Programme dabei, im Wettbewerb vorn zu bleiben.
Die industrielle Reinigung von Flächen und Equipment im Rahmen der Instandhaltung stellt Unternehmen und Dienstleister, die in der Gebäudereinigung tätig sind, vor viele Herausforderungen. Verunreinigungen durch Öl und Grobschmutz oder sogar gesundheitsschädigende Stoffe erfordern nicht nur robuste Reinigungslösungen, sondern auch eine Qualitätsdokumentation der erbrachten Reinigungsaufgaben.
Durch Trends wie die vorausschauende Wartung und Anomalie-Erkennung von Anlagen und Maschinen verändert sich zunehmend die Art und Weise von Kalkulation und Konzeption von professionellen Reinigungseinsätzen. Dabei geht es weg von der langfristigen Planung hin dazu, Down Times auch gleich für die Reinigung zu nutzen.
Warum Software für Gebäudereiniger wettbewerbsentscheidend ist
Für den Reinigungsgeräte-Dienstleister Kärcher, der schon früh auf Pay-per-Use-Modelle setzte, war das Thema Software in der Gebäudereinigung so wichtig, dass der Branchenmarktführer im letzten Jahr den 2015 in Berlin gegründeten Softwareanbieter SoniQ Services übernahm.
Als typische Prozess-Anforderungen sieht man bei Kärcher die Schichtplanung und Disposition (Langzeitplanung, sowie Kurzzeitplanung), die Leistungserfassung, insbesondere auch von Zusatzleistungen, die Zeiterfassung und die Kalkulation des Einsatzes von Maschinen zur Bodenreinigung. Auch die Qualitätssicherung, mit der vertraglich vereinbarte Leistungen nachgehalten werden, ist essentiell.
Eine wichtige Herausforderung sei zudem das Thema Arbeitssicherheit in der Gebäudereinigung: "Das Beseitigen von Verschmutzung wie beispielsweise Ölen ist nicht nur aus hygienischen, sondern auch aus sicherheitstechnischen Gründen notwendig. Mit unseren digitalen Lösungen kann der Reinigungsdienstleister einen Nachweis erbringen, dass er tatsächlich auch gereinigt hat und sich damit gegen mögliche Schadensforderungen bei Arbeitsunfällen absichern", erklärt eine Kärcher-Unternehmenssprecherin.
Wie man mit Software schnell und zuverlässig plant
Die Software [SQ] One ermöglicht es Kärcher zufolge, Reinigungsunternehmen, Personal, Maschinen, Lieferungen und Kunden auf einfache Weise zu verwalten, innerhalb eines digitalen Systems und zu einem Preis. Dabei will man die gesamte Wertschöpfungskette eines Reinigungsunternehmens digital abbilden, um die Online-Lücke zur operativen Leistungserfüllung zu überbrücken, da dieser letzte Teil meist noch offline sei.
Die Software beginnt laut Kärcher dort, wo das ERP/IT-System heute endet, bei den Menschen, darunter Objektleiter, gewerbliches Reinigungspersonal und Endkunden. Das System kann Informationen aus unterschiedlichen Quellen verarbeiten – zum Beispiel Daten von Reinigungsmaschinen sämtlicher Hersteller, Gebäudenutzungsdaten oder Wetterdaten.
Grundlage sind mobile Anwendungen, die auf einer Cloud-basierten Technologieplattform verbunden sind. Gebäudereiniger sehen zum Beispiel auf ihrem Smartphone oder Tablet Reinigungsanweisungen im mobilen Dienstplan und Arbeitsschein. Auch Fotobeweis und Dokumentation oder der Chat im Problemfall erfolgen schnell und zuverlässig über das mobile Endgerät.
Spezialanbieter sind rar
Bisher gibt es nur wenige Spezialsoftware-Hersteller für die industrielle Gebäudereinigung. Einer davon ist das Unternehmen Landwehr mit seiner Anwendung Landwehr L2. Damit sollen sich laut Anbieter neben Akquise, Personaldisposition, Dienstplanung, Zeiterfassung, Fakturierung und Lohnabrechnung auch viele aufwendige, händische oder Excel-basierte Verwaltungsaufgaben digitalisieren lassen, die nur wenig zur Wertschöpfung beitragen, aber Kosten verursachen.
Spezifisch für die Gebäudereinigung gibt es ein Objektmanagement mit Ansprechpartner- und Schlüsselverwaltung. Im Dienstplan-Modul werden für reibungslose Abläufe auch Springer für ausgefallene Mitarbeiter hinterlegt, so der Hersteller. Arbeitsscheine könnten auf mobilen Endgeräten direkt vom Kunden unterschrieben werden und zur automatisierten Rechnungsstellung genutzt werden.
Eine Branchenlösung für die Gebäudereinigung bietet zudem Pro Office von SynerGIS mit seiner Software für Infrastruktur- und Facility-Management an. Dabei nutzt der Anbieter zum Beispiel CAD-Pläne der zu reinigenden Gebäude und Liegenschaften, in denen der aktuelle Reinigungsstand verzeichnet wird. Die Funktionen reichen von der Berechnung von Flächen und Reinigungskosten, der Erfassung der Zeit über die Kontrolle bis zur Qualitätssicherung.
ERP-Hersteller liefern Branchenfunktionen
Doch es gibt auch Branchenlösungen für die Gebäudereinigung, die auf ERP-Standardsystemen basieren. So bietet die BSS GmbH ERP-Softwarelösungen auf Basis von Microsoft Dynamics 365 Business Central/Dynamics NAV für die Reinigungsbranche an. Standardprozesse wie Fibu oder Angebotserstellung wurden um Erweiterungen ergänzt, die im Fertigungsumfeld zum Einsatz kommen.
Es gibt dem Anbieter zufolge verschiedene Mietmodelle, die für unterschiedliche Unternehmensgrößen und spezielle Bedarfe skalierbar sind, unter anderem in der Cloud. Zu den Kunden zählt beispielsweise die in Berlin ansässige Tip-Top Dienstleistungen GmbH, die mit 2.700 Mitarbeitern an 13 Standorten ein umfangreiches Portfolio an Services in der Industriereinigung anbietet: von der Maschinenreinigung bis zur Anlagenreinigung in der Automobilindustrie.
"In der heutigen Geschäftswelt ist es selbst in der Gebäudereinigung – und insbesondere für die Reinigung im industriellen Umfeld, bei Industriekunden – essentiell, Prozesse zu planen, zu managen und vor allem dauerhaft zu kontrollieren", sagt Nils Pfaff, Geschäftsführer der Tip-Top Dienstleistungen GmbH.
Virtual und augmented Reality für die Anlagenreinigung
Im Industrieumfeld ist die Reinigung von Anlagen oft komplex – noch schwieriger wird es bei Bohrinseln oder Offshore-Windkraftparks. Mit VR/AR-Lösungen könnten Mitarbeiter zum Beispiel im Vorfeld üben, Außenelemente mit Sandstrahl zu reinigen und alte Lacke zu entfernen, bevor sie die Aufgabe in der Praxis in großer Höhe oder im Einsatz mit knapper Zeit ausführen müssen.
Aber auch das Durchspielen besonders schwieriger Abläufe in der Industriereinigung über eine 3D-Brille ist denkbar. So prüft der Baukonzern Bilfinger VR-Technologie derzeit für das Training der Mitarbeiter, weil man darin ein "großes Potential für die Zukunft sieht", so eine Sprecherin.
Vorgehensweisen könnten aber auch per Video auf dem Smartphone gezeigt oder anhand von CAD-Zeichnungen Mitarbeiter an den richtigen Ort in der Produktionsstätte und durch einzelne Arbeitsschritte geführt werden.
Dynamics NAV als Gebäudereiniger-Software
Seit etwa fünf Jahren sehe man die Nutzung der vorhandenen und erhebbaren Datenbasis als größte Stärke des eigenen Unternehmens an. "Dabei ist die zeitliche Modulierung vergleichbarer Sachverhalte von entscheidender Bedeutung für die Unternehmensplanung, bis hinein in einzelne Aufträge und Objekte. Die Erkenntnisse sind bei uns im Haus im Rahmen der Kalkulation und Angebotserstellung nicht mehr wegzudenken", betont Pfaff.
Dabei setzt man auf eine Kombination von MS Dynamics Business Central/Dynamics NAV mit weiteren eingesetzten Anwendungen für die Dokumentation und einem BI Tool, die sich als leistungsfähiges und zuverlässiges System erwiesen hätte.
Komplettlösung für die Gebäudereinigung
Auch der auf die technische Reinigung spezialisierte Dienstleister Wisag verlässt sich auf die Branchenlösung eines ERP-Anbieters. "Die Wisag Produktionsservice nutzt die Standardsoftware Infor EAM mit speziellen Erweiterungen, um digitale Unterschriften und automatisierte Protokolle als PDF zu erhalten", berichtet Peter Bommert, zuständig für Technischen Support bei der Wisag Produktionsservice GmbH.
Die Cloud-Software mit mobiler Lösung werde zur Abarbeitung der Reinigungsaufträge genutzt. "Wir brauchen eine mobile Lösung, die auf Basis der Tätigkeitsinhalte automatisiert ein Reinigungsprotokoll mit Reinigungsbildern erstellt", nennt Bommert eine der wichtigsten Herausforderungen. Dieses Protokoll werde dann ebenfalls automatisiert an der jeweiligen Anlage als Historie verknüpft, erklärt der Experte den Dokumentationsprozess.
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