Geht es um die Verteilung von Budget - zum Beispiel für die Instandhaltung - beginnt oftmals das große Rechnen, denn jeder hat Sorge, zu kurz zu kommen. Das ist auch bei Impfstoffen (oder Pralinen) so.

Geht es um die Verteilung von Budget - zum Beispiel für die Instandhaltung - beginnt oftmals das große Rechnen, denn jeder hat Sorge, zu kurz zu kommen. Das ist auch bei Impfstoffen (oder Pralinen) so. - (Bild: Maha Heang 245789/stock.adobe.com)

Mein Familienleben ist eigentlich ganz harmonisch, wir verstehen uns gut, unsere Dispute halten sich in Grenzen, wir haben viele gemeinsame Vorlieben und Interessen. So lassen sich die vielen gemeinsamen Tage und Abende, die wir zum Jahreswechsel und dank des Lockdowns zusammen verbringen, ganz angenehm verleben.

Und doch gibt es natürlich auch bei uns Situationen, in denen wir eine Meinungsverschiedenheit austragen müssen. So geschehen an Weihnachten. Eines der Geschenke von Freunden war eine kleine Packung mit besonders köstlichen Pralinen. Ein Geschenk für uns vier. Gleich am nächsten Abend war klar, dass diese Pralinen sofort verschlungen werden müssen. Das Problem dabei: die Pralinen ließen sich nicht auf vier Personen gleichmäßig aufteilen. Es blieb eine einzige Praline übrig. Argumentativ geübt fanden wir alle unsere jeweiligen Gründe, warum jeder die letzte Praline bekommen sollte. Jeder sah sich im Recht, die letzte dieser leckeren Pralinen zu essen. Ein kleiner Verteilungskampf entbrannte unter dem Weihnachtsbaum.

Wer jetzt mit dem Vorschlag kommt, man könne doch die Praline in vier gleich große Teile schneiden und dann gerecht verteilen, der kennt nicht die gerade jüngst wieder gesehene Loriot-Episode vom Kosakenzipfel, wo sehr anschaulich wird, wie schnell eine gute Freundschaft beim Versuch, gerecht zu teilen, in einen bitteren Streit ausarten kann. Irgendeiner wird sich bei einem solchen Aufteilungsversuch immer benachteiligt fühlen.

Einen Verteilungskampf, allerdings in wesentlich größerer Dimension und Bedeutung, erleben wir derzeit auch bei der Auf- und Verteilung des Corona-Impfstoffs. Auch findet jeder seine Argumente, warum er oder sie doch bevorzugt sofort geimpft werden sollte. Manche Berufsgruppen sehen sich als relevanter als andere Berufe an, einzelne Bundesländer beschweren sich, warum sie angeblich weniger Impfdosen erhalten als andere. Viele argumentieren dabei recht offensichtlich aus ihrer eigenen egoistischen Sichtweise.

Doch, wenn wir ehrlich sind, machen wir es nicht genauso, wenn beispielsweise alljährlich die Budgetmittel für die Instandhaltung verteilt werden? Oder sind Sie altruistisch und verzichten freiwillig zugunsten eines anderen Bereichs? Ich kann mich gut erinnern, wie ich früher um jeden Euro für meinen Instandhaltungsbereich gekämpft habe. Die Welt scheint in solchen Situationen nur aus Einzelkindern zu bestehen. Ich weiß, wovon ich rede, ich bin selbst ein Einzelkind.

Und wieder mal wird deutlich, dass der Mensch als angeblich vernunftbegabtes Wesen seine Entscheidungen und Präferenzen keineswegs durch eine objektive Erwägung und Bewertung der relevanten Argumente trifft, sondern von seinen Affekten und eigenen Emotionen getrieben ist und seine Entscheidung gerne erst rationalisiert zu begründen versucht.

Dass ein rationaler Entscheidungsprozess eigentlich zunächst das Abwägen der Argumente und anschließend die Entscheidung vorsieht, erscheint hier vollkommen realitätsfern. Sowohl bei der Diskussion um die Verteilung des Corona-Impfstoffs als auch bei der weihnachtlichen Verteilung der geschenkten Pralinen. Und übrigens wie beim Impfstoff wurde auch bei uns geklagt, warum es nicht mehr Pralinen gäbe.

Wir haben dann übrigens unsere weihnachtliche Pralinen-Krise dadurch gelöst, dass wir die letzte Praline aufgehoben haben und an diesem Abend nicht mehr gegessen haben. Ja, sie wurde in der Schachtel verwahrt bis zum nächsten Abend. Als (fast) keiner mehr an die Praline dachte, kam ein Einzelkind und hat sie sich einfach genommen. In meinen Augen war damit der Verteilungskampf perfekt gelöst.

Ihr

Lennart Brumby

Sie möchten gerne weiterlesen?