Ein aufgeräumter Arbeitsplatz und das Einhalten der Infektionsschutzegeln aus eigenem Antrieb heraus sind Zeichen von Selbstdisziplin. Warum diese so wichtig ist, erklärt Prof. Dr. Lennart Brumby in dieser Ausgabe seiner Kolumne.

Ein aufgeräumter Arbeitsplatz und das Einhalten der Infektionsschutzegeln aus eigenem Antrieb heraus sind Zeichen von Selbstdisziplin. Warum diese so wichtig ist, erklärt Prof. Dr. Lennart Brumby in dieser Ausgabe seiner Kolumne. - (Bild: stock.adobe.com/Вадим Пастух)

Ich möchte diesmal über einen Begriff schreiben, zu dem ich selbst ein eher ambivalentes Verhältnis habe, den ich zwar oft schätze und für mich in Anspruch nehme, den ich aber mindestens genauso oft auch belächle und manchmal bewusst ablehne: die Selbstdisziplin.

In diesen Tagen erleben wir viele Situationen, in denen wir uns zur Selbstdisziplin ermahnen müssen und die lästige Maske wieder über Mund und Nase zurechtrücken. Oder eben unsere Mitmenschen an deren Selbstdisziplin erinnern und den Mindestabstand oder den Mund-Nasen-Schutz einfordern.

Immer dann, wenn etwas bereits gut funktioniert, werden wir gerne sorglos. So charakterisierte jüngst ein bekannter Virologe die aktuelle Situation in Deutschland. Einerseits kann ich alle verstehen, die sich nun wieder in größeren Gruppen treffen und feiern wollen. Allerdings wissen wir andererseits auch, dass die Gefahr durch das Corona-Virus noch lange nicht gebannt ist und die doch recht einfachen Schutzmaßnahmen weiterhin konsequent eingehalten werden sollten. Die hierfür notwendige Selbstdisziplin über einen längeren Zeitraum aufzubringen, fällt uns aber oft sehr schwer.

Zum Wesen der Selbstdisziplin gehört es, dass wir sie eben aus uns selbst heraus und in der Regel ohne wesentlichen äußeren Anreiz, Druck oder Kontrolle aufbringen müssen. Nicht eine höhere Macht, ein Vorgesetzter oder eine staatliche Institution fordern uns direkt zur Einhaltung bestimmter Verhaltensweisen auf, sondern jeder einzelne soll von sich aus die Disziplin aufbringen. Die Verantwortung zur Einhaltung der Disziplin verlagert sich dabei von einer zentralen Autorität auf die einzelnen Personen.

Wir kennen das Thema Selbstdisziplin und die damit verbundenen Probleme auch aus der 5S-Methodik. Das fünfte S steht für das japanische „Shitsuke“. Dabei sollen die schön aufgeräumten, übersichtlich sortierten und standardisierten Arbeitsplätze von den jeweiligen Mitarbeitern diszipliniert beibehalten und kontinuierlich verbessert werden. Viele Unternehmen haben bei der Umsetzung der ersten 4S keine größeren Probleme. Mal schnell Aufräumen und Ausmisten ist ja auch nicht so schwer. Aber eben dieses fünfte S, „Shitsuke“ erfordert dann ein hohes Maß dieser verzwickten Selbstdisziplin von jedem einzelnen. Und viele 5S-Projekte scheitern an genau diesem Punkt der Verstetigung der zuvor definierten Regeln.

Die 5S-Regel. - Grafik: stock.adobe.com/Jon Le-Bon
Die 5S-Regel. - Grafik: stock.adobe.com/Jon Le-Bon

Mit vielen Schulungen und Trainings versucht man, die Mitarbeiter zu „Shitsuke“, also zur disziplinierten Einhaltung der gemeinschaftlichen Regeln im 5S-Konzept zu bewegen. Darüber hinaus gibt es aber auch regelmäßige Audits, bei denen die Einhaltung der Regeln durch die einzelnen Mitarbeiter überprüft wird. Und natürlich gibt es oftmals auch den „sanften“ Hinweis der Kollegen, wenn ein Mitarbeiter mal keine ausreichende Disziplin aufgebracht hat.

Auch bei der Arbeitssicherheit spielt die Selbstdisziplin der einzelnen Mitarbeiter eine große Rolle. Nur wenn alle konsequent die jeweiligen Vorgaben zur Arbeitssicherheit diszipliniert einhalten, lassen sich die oft hochgesteckten Ziele zur Unfallvermeidung erreichen. Mit einer Vielzahl von Hinweisschildern zum Arbeitsschutz, die manchmal schon penetrant wirken, mit ermahnenden Hinweisen der Kollegen, wenn mal die PSA nicht ausreichend berücksichtigt wurde, und mit zentral aufgezeigten Kennzahlen, wie viel Tage unfallfrei man im Werk schon ist, wird hier versucht, die Selbstdisziplin zur Arbeitssicherheit zu unterstützen.

Der Autor Prof. Dr. Lennart Brumby

Lennart Brumby

Prof. Dr. Lennart Brumby ist Studiengangsleiter für Service Engineering an der DHBW Mannheim. Der ausgewiesene Instandhaltungs-Experte ist Mitglied im DIN Normungsausschuss Instandhaltung, im EAMC European Asset Management Committee, im FVI Forum Vision Instandhaltung, in der GFIN Gesellschaft für Instandhaltung, im KVD Kundendienst-Verband Deutschland, im VDI Fachausschuss After Sales Service, im VDI Fachausschuss Instandhaltung und WVIS Wirtschaftsverband für Industrieservice. Seine Kolumne erscheint exklusiv beim Fachmagazin Instandhaltung.

Vielleicht sollte man sich aktuell verstärkt Gedanken machen, wie man die Selbstdisziplin zum Tragen des Mund-Nase-Schutzes und zur Einhaltung des notwendigen Abstands in ähnlicher Weise stärker fördern kann. Denn offensichtlich reichen die bisherigen AHA-Mahnungen (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) nicht aus, wenn man sich die Verhaltensweisen vieler an öffentlichen Orten anschaut. Die derzeit steigende Zahl an Neuinfektionen lässt einen weiteren Lockdown befürchten. Und den will wirklich keiner.

Überwachende Audits wie beim 5S-Konzept erscheinen mir für die Einhaltung der AHA-Regeln noch übertrieben. Aber vielleicht sollten wir verstärkt den Mut aufbringen, erstens mit gutem Beispiel stolz voranzugehen und zweitens gegebenenfalls auch mal andere Mitmenschen, die offensichtlich noch Probleme mit der notwendigen Selbstdisziplin haben, höflich auf die fehlende Maske oder Distanz hinzuweisen.

Nach so viel Gedanken zur Selbstdisziplin werde ich jetzt mein leeres Glas Wein nicht wieder auffüllen, sondern brav in die Küche bringen, in die Spülmaschine einräumen und nebenbei nichts von der Schokolade der Kinder probieren, die da so unbeaufsichtigt herumliegt. Ganz selbstdiszipliniert. Auch, wenn’s schwerfällt.

Ihr

Lennart Brumby

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