Ein wenig mehr Gelassenheit und Entspanntheit - das wäre was, sagt unser Kolumnist.

Ein wenig mehr Gelassenheit und Entspanntheit - das wäre was, sagt unser Kolumnist. - (Bild: STUDIO GRAND WEB/stock.adobe.de)

Nachdem mir als gebürtigem Mainzer die Fassenacht gestrichen wurde, das Wetter nicht gerade zum Spaziergehen einlädt und alle sozialen Kontakte sich nur noch über meinen Computer abspielen, bleibt mir zur Stimmungsaufhellung wie vielen nur der Blick nach vorne. Und so träume ich von der Zeit nach Corona, von der neuen hoffentlich schnell kommenden postpandemischen Normalität. Von feuchtfröhlichen Treffen in vollen Kneipen, von entspannten Biergarten-Besuchen nach Fahrrad-Ausflügen und von all den Partys meiner Freunde, die in den letzten zurückliegenden Monaten ihren runden Geburtstag nicht feiern konnten.

Was ich derzeit auch sehr vermisse, sind meine regelmäßigen Massage-Termine. Erst vor ein paar Jahren kam ich erstmals dazu. Ich war anfangs sehr skeptisch, denn eigentlich hatte ich kaum Beschwerden, und was der Masseur mir zu Beginn über meine Energieströme, meine Balance von Geist und Körper und so weiter erzählte, das passte so gar nicht in mein ingenieurwissenschaftlich geprägtes Weltbild. Aber seine Berührungen, seine sanften Bewegungen meiner Muskeln und Gelenke habe ich schnell zu schätzen gelernt und möchte sie bis heute nicht missen.

Das Besondere für mich ist aber auch seine ruhige, sehr entspannte Art, mit der er mir begegnet und mir dabei immer wieder in seinem eher esoterischen Weltbild zu erklären versucht, was da mit mir passiert. Obwohl er genau weiß, dass seine Worte in meinem ingenieurwissenschaftlich Weltbild keinen Anknüpfungspunkt finden werden. Ich kann ihm offen entgegnen, dass ich daran nicht glaube. Er lächelt dann nur, versucht mich aber nicht zu überzeugen. Jeder von uns hat eben seine Ansichten, lässt aber des anderen Ansichten gelten. Und obwohl wir so grundverschieden sind, hat sich in den letzten Jahren eine tiefe Vertrautheit und Freundschaft zwischen uns gebildet.

Diese Entspanntheit würde ich mir auch bei vielen anderen Gelegenheiten wünschen. So beispielsweise bei unserer derzeitigen Diskussion über notwendige Corona-Schutzmaßnahmen oder über die Zulassung weiterer Impfstoffe und deren rasche und vor allem gerechte Verteilung in der Bevölkerung. Viele der dabei geführten Diskussionen erscheinen mir ideologisch aufgeheizt und enden nicht selten in gereizten Streitereien mit Hass und Hetze. Ein rationaler Gedanken- und Argumenten-Austausch scheint dabei kaum noch möglich zu sein. Denn wer schreit oder hasst, denkt nicht mehr rational.

Auch in der Instandhaltung erleben wir manche hitzigen Diskussionen, zum Beispiel über das richtige Maß an Ersatzteil-Bevorratung. Oder bei der ewigen Streitfrage, ob denn nur die selbst durchgeführte Eigen-Instandhaltung die gewünschte Verfügbarkeit gewährleisten kann oder ob dies nicht durch externe Dienstleister viel besser möglich ist. Bei beiden Beispielen gibt es meiner Meinung nach keine eindeutig richtige Position. Und doch wird jeweils gerne so getan, als wäre die eigene Meinung der Weisheit letzter Schluss.

Jetzt könnte man hier gut den Philosophen Karl Popper zitieren, wonach der Wert eines Dialogs vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen abhängt. Denn in dem von ihm postulierten Kritischen Rationalismus sollen alle Gedanken und Aussagen der ständigen Kritik unterworfen werden.

Oder aber man hält es mit meinem Masseur, der ganz entspannt lächelt, wenn ich ihm widerspreche und sage, dass ich nicht an das Hara in meinem Bauch glaube. Und er mich trotzdem in meinem Weltbild akzeptiert, genauso wie ich ihn.

Diesen vielen erregten Diskussionen um Corona-Auflagen, Impf-Strategien und so weiter möchte ich daher ganz entspannt begegnen, lenke dabei meinen Atem in mein Hara, verbinde mich mit meiner Urkraft und freu‘ mich auf den Frühling. Kann ich nur empfehlen. 

Ihr

Lennart Brumby

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