Automatisierung ist gut - ist aber wie im Garten unseres Kolumnisten nicht immer und überall opportun. Denn der Mensch als Bediener vor Ort ist in vielen Fällen auch in der Instandhaltung weiter wichtig.

Automatisierung ist gut - ist aber wie im Garten unseres Kolumnisten nicht immer und überall opportun. Denn der Mensch als Bediener vor Ort ist in vielen Fällen auch in der Instandhaltung weiter wichtig. - (Bild: romaset/stock.adobe.com)

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"Hast du keinen Mähroboter?", fragte mich am Ende in einer der zahlreichen Video-Sitzungen per Chat ein guter Freund erstaunt, als ich verkündete, dass ich jetzt Rasen mähen gehe. Nein, ich habe keine Mähroboter! Dafür einen alten, aber starken, benzinbetriebenen Rasenmäher der Marke "Toro", der – wenn ich ihn mit einem kräftigen Ruck am Seilzug gestartet habe – so laut ist, dass ich den Rest der Welt nicht mehr wahrnehmen kann.

Mein Toro tuckert beständig lärmend über alles, was sich ihm in den Weg stellt. Hohes Gras, Sonnenblumen, Baumzapfen, kleine Äste, alles kein Problem für meinen kleinen Stier. Zugegeben, meine Rasenflächen sind eher Wiesen mit allerlei anderem grünen Gewächs, das ebenso wie das Gras gnadenlos gekürzt und klein gemacht wird. Und so ziehe ich meine gleichförmigen Bahnen und kann mit jedem Schritt sehen, was ich bereits abgemäht habe. Ein klares und für alle sichtbares Ergebnis, was sofort befriedigend ist und so ein schöner Ausgleich ist zu den vielen langen Online-Sitzungen und Lehrveranstaltungen, bei denen man sich oft am Ende fragte, ob sie irgendetwas bewirkt haben.

Der Autor Prof. Dr. Lennart Brumby

Lennart Brumby

Prof. Dr. Lennart Brumby ist Studiengangsleiter für Service Engineering an der DHBW Mannheim. Der ausgewiesene Instandhaltungs-Experte ist Mitglied im DIN Normungsausschuss Instandhaltung, im EAMC European Asset Management Committee, im FVI Forum Vision Instandhaltung, in der GFIN Gesellschaft für Instandhaltung, im KVD Kundendienst-Verband Deutschland, im VDI Fachausschuss After Sales Service, im VDI Fachausschuss Instandhaltung und WVIS Wirtschaftsverband für Industrieservice. Seine Kolumne erscheint exklusiv beim Fachmagazin Instandhaltung.

Ja, ich mähe noch von Hand, auch wenn es immer mehr Möglichkeiten zur Automatisierung der heimischen Gartenarbeit auf dem Markt gibt. Das mag für manchen überraschend sein, beschäftige ich mich doch hauptberuflich mit Automatisierung und Digitalisierung, beschreibe in meinen Vorträgen die Vorzüge der Smart Maintenance, lehre meinen Studierenden die Ansätze der vernetzen, hoch-automatisierten Produktion, der Predictive Maintenance und des Digitalen Zwillings. Und ich bin durchaus überzeugt von dem, was ich da lehre und präsentiere. Es sind nicht nur faszinierende Ansätze und Technologien, sondern sie sind für eine moderne Produktion in Zukunft unverzichtbar.

Und trotzdem wird es auch immer noch gute Gründe geben, ältere Technologien zu bevorzugen. Es ist eben nicht immer erforderlich, digitale und voll vernetze Maschinen und Geräte einzusetzen. Im Gegenteil. Denn wie mein kleiner Stier zeigt, kann auch ein rein mechanischer und lärmender Rasenmäher seinem Besitzer großen Nutzen und Freude bereiten. Vielleicht liebe ich meinen Rasenmäher aber auch gerade deswegen, weil er eben so einfach und damit auch leicht zu verstehen ist. Ich würde zwar einiges an Zeit sparen, wenn ich die Gartenarbeit der modernen Technik überlassen würde, dann aber hätte ich auch weniger Spaß an meinem Garten.

Es ist die ureigenste Funktion von Technik und Automatisierung, den Menschen von lästiger Arbeit zu befreien und so sein Leben komfortabler zu gestalten. Daher bemühen wir Ingenieure uns permanent, für alle menschliche Arbeit unterstützende oder ersetzende Technik-Lösungen zu erfinden.

Schon in den 70/80er-Jahren hatte die Bundesregierung ein Programm zur "Humanisierung der Arbeit" ins Leben gerufen mit Projekten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die aber in der betrieblichen Praxis häufig zum kompletten Wegfall von Arbeitsplätzen führten. Heute wird die menschenleere Fabrik kritisiert, da unsere moderne Produktion mit immer weniger Mitarbeiter auskommt.

Aus Sicher der Instandhaltung hat diese Entwicklung bemerkenswerte Konsequenzen. Zwar haben wir dank Sensorik und Condition Monitoring mehr Daten über den Zustand der Maschinen. Da aber kaum noch Bediener vor Ort sind, fehlen uns deren ergänzenden Eindrücke und Erfahrungen. Eine rein maschinelle Interpretation der Zustandsdaten ohne menschliches Expertenwissen wird uns auch trotz Künstlicher Intelligenz kaum gelingen.

Solche Gedankensprünge vom Rasenmähen über die menschenleere Fabrik zur Künstlichen Intelligenz gelingen mir immer dann, wenn ich in die Gartenarbeit vertieft bin. Leider steht am Ende immer das Aufräumen und Reinigen an. Und das Reinigen meines Toros nach vollendetem Mähen ist sehr lästig. Das sollte man mal endlich automatisieren. Quasi als Humanisierung der Gartenarbeit.

Ihr

Lennart Brumby

Anm.d.Red.: Vonseiten des Rasenmäherherstellers gab es keine Einflussnahme oder Zuwendungen für Autor oder Verlag.

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