Nicht mehr taufrisch - aber sicher und bewährt: Eine 3,5-Zoll-Diskette entlockt jedem Technik-Nerd heute ein müdes Lächeln, wird aber immer noch zu Recht und mit Erfolg eingesetzt. Wo und warum lesen Sie in dieser Ausgabe der Instandhaltungs-Kolumne von Prof. Dr. Lennart Brumby.

Nicht mehr taufrisch - aber sicher und bewährt: Eine 3,5-Zoll-Diskette entlockt jedem Technik-Nerd heute ein müdes Lächeln, wird aber immer noch zu Recht und mit Erfolg eingesetzt. Wo und warum lesen Sie in dieser Ausgabe der Instandhaltungs-Kolumne von Prof. Dr. Lennart Brumby. - (Bild: stock.adobe.com/larison)

Ein Bericht über ein Video einer Cyber-Sicherheitsfirma, die sich in einen gerade gewarteten Jumbo-Jet 747 geschmuggelt hat und dort filmte, brachte mich jüngst zum Schmunzeln. In dem Video war ganz kurz zu sehen, dass im Cockpit während der Überholung neue Software-Updates über ein – Achtung! – 3,5-Zoll-Diskettenlaufwerk auf den Rechner des Jumbos aufgespielt wurden. Der Bericht mokierte sich in seiner Kommentierung darüber, wie es denn sein könne, dass in einem solchen Großraumflugzeug von Boeing noch immer Technologie aus den Anfangsjahren der Computertechnik verwendet wird.

Mich erheiterte der Bericht, nicht etwa, weil ich ebenfalls überrascht oder gar empört über die Verwendung dieses 3,5-Zoll-Diskettenlaufwerks wäre. Nein, ich war amüsiert über diese grundsätzliche Meinung, dass immer nur die modernste Technik zum Einsatz kommen solle. Glaubte dieser Berichterstatter etwa wirklich, in einem Flugzeug, das seit 1969 (ein guter Jahrgang) im Dienst ist, würde fortlaufend die Hard- und Software ausgetauscht, um immer auf den allerneusten Stand der Technik zu sein? Was soll an einer alten, aber bewährten Technik eines 3,5-Zoll-Laufwerks so verkehrt sein?

Aus  vielen meiner Firmenbesuche weiß ich, dass in den meisten Produktionsbereichen noch immer auch „ältere“ Maschinen und Technologien zum Einsatz kommen. Maschinen, die Jahrzehnte alt sind und oftmals noch im typischen Maschinengrün RAL 6011 lackiert sind. Und dass diese alten Maschinen dort trotzdem sehr wertgeschätzt werden, und man keinen Grund sieht, diese gegen modernere Maschinen auszutauschen. Sie leisten trotz ihres Alters – bei guter Instandhaltung –zuverlässig ihren Dienst.

Mich verwundert vielmehr, wie viele Menschen meinen, man bräuchte immer die neuste Technik und kaufen sich jedes Jahr für viel Geld wieder das neuste Smartphone-Modell. Laut einer Studie des Branchenverbands Bitkom tauscht jeder Zweite sein Mobiltelefon nach zwölf Monaten gegen ein neues Modell aus. Nur jeder Sechste nutzt demnach sein Smartphone länger als zwei Jahre. In derselben Studie sagten übrigens auch 92 Prozent der Teilnehmer, dass für sie die Nachhaltigkeit eine wichtige Kaufentscheidung sei. Ich frage mich, wo denn da der Nachhaltigkeits-Gedanke bleibt, wenn ein erst ein Jahr altes und noch voll funktionsfähiges Smartphone durch ein Neues ersetzt wird. Wieder mal ein schönes Beispiel für die oft zitierte Mind-Behaviour-Gap, die Lücke zwischen Wollen und Tun.

Der Autor Prof. Dr. Lennart Brumby

Lennart Brumby

Prof. Dr. Lennart Brumby ist Studiengangsleiter für Service Engineering an der DHBW Mannheim. Der ausgewiesene Instandhaltungs-Experte ist Mitglied im DIN Normungsausschuss Instandhaltung, im EAMC European Asset Management Committee, im FVI Forum Vision Instandhaltung, in der GFIN Gesellschaft für Instandhaltung, im KVD Kundendienst-Verband Deutschland, im VDI Fachausschuss After Sales Service, im VDI Fachausschuss Instandhaltung und WVIS Wirtschaftsverband für Industrieservice. Seine Kolumne erscheint exklusiv beim Fachmagazin Instandhaltung.

Ein solches Streben nach der immer neusten Technik ist für die meisten Produktionsbetriebe schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich. Hier vertraut man seinem eigenen Instandhaltungsbereich oder einem beauftragten Instandhaltungsdienstleister, der die Funktionsfähigkeit auch älterer Maschinen weiter sicherstellt und so die mögliche Lebensdauer einer Maschine oder Anlage möglichst lange ausschöpft. Das schont nicht nur das Invest-Budget des Unternehmens, sondern ist auch ein echter Beitrag zur Nachhaltigkeit.

Deswegen ist es in meinen Augen keine Schande, wenn man in der Produktion noch den bewährten, funktionstüchtigen und grünlackierten Maschinen vertraut oder ein 3,5-Zoll-Diskettenlaufwerk zum Einsatz kommt. Das mag zwar im ersten Moment etwas befremdlich wirken, wenn man solche ältere Technik erblickt. Es ist aber auch ein Zeichen für rationales, wirtschaftliches Denken, das eben nicht jeder Mode hinterherrennt und immer das allerneuste Modell haben will.

Natürlich lebt gerade der deutsche Anlagen-und Maschinenbau von einer hohen Investitionsbereitschaft der Unternehmen, aber aus betriebswirtschaftlicher Sicht und insbesondere Nachhaltigkeits-Sicht sollten wir auch gut funktionierender alten Technik eine Chance geben. 

Ihr

Lennart Brumby

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